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Vom Kämpfen und vom Schreiben

Vom Kämpfen und vom Schreiben

Titel: Vom Kämpfen und vom Schreiben
Autoren: Carla Berling
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Zeitungsarbeit ernähren, und das geht einfach nicht ohne Computer. Mit dem Kajaki-Verlag habe ich über ein weiteres Buch gesprochen, wie soll ich das jetzt schreiben?
    Meine Kontakte kann ich auch nicht pflegen. Ohne Mail und Internet fühle ich mich wie amputiert, abgeschnitten von der Welt. Kamilla hilft. Sie gibt mir einen Vorschuss von tausendzweihundert Mark, und ich kaufe einen neuen Rechner. Mit diesem Kredit legen wir den Grundstein für einen Streit, der eines Tages furchtbar eskalieren wird.
    Anfang Juni, dreißig Tage nach dem Erscheinen meines ersten Buches, werden wir in unserem Alltag unterbrochen. Als ich von einem Zeitungstermin heimkomme, sagt Hardy, ich solle sofort die Redakteurin von SAT 1 zurückrufen. Ich wähle die Berliner Nummer mit zitternden Fingern. Eine freundliche Frau lobt den Inhalt meines Buches: Das sei etwas ganz Greifbares, darin seien alltagstaugliche Tipps, die wirklich etwas bringen würden. Das freut mich außerordentlich. »Können Sie heute noch kommen?«, fragt die nette Dame.
    Heute? Um Himmels willen, wohin mit den Kindern, woher das Geld für die Bahnfahrt nehmen, wann fährt ein Zug, meine Redaktion muss wissen, dass ich heute nicht mehr arbeiten kann, was muss ich einpacken, ich war nicht beim Friseur, was soll ich bloß sagen?
    Natürlich faxe ich alle Freunde und Bekannten an oder maile ihnen, um auf den Auftritt hinzuweisen. Innerhalb weniger Minuten sind etwa zwanzig »Hals- und Beinbruch«-Wünsche in der Mailbox und auf dem Fax. Meine Mutter leiht mir Fahrgeld für den Hinweg, und zwei Stunden später sitze ich im ICE auf dem Weg nach Berlin.
    Die Redakteurin ruft mich unterwegs noch einmal auf dem Handy an und bespricht mit mir, was der Moderator mich fragen wird. Das hört sich harmlos an, und ich bin kaum noch nervös.
    Am Bahnhof Zoo angekommen, nehme ich mir ein Taxi: Im Grand Hotel Esplanade ist ein Zimmer für mich bestellt. Vom Feinsten. Als täte ich es jeden Tag, schlendere ich durch die riesige Hotelhalle, checke souverän ein und fahre mit dem Lift in die dritte Etage.
    Früher, in meinem anderen Leben als Chefrepräsentantin einer Versicherung, habe ich oft in solchen Luxushotels übernachtet. Damals gab es Schlüssel für die Hotelzimmer. Im Grand Hotel bekomme ich eine Plastikkarte im Scheckkartenformat. Als ich den Magnetstreifen durch diesen kleinen Apparat ziehe, klickt die Tür leise auf. Ich höre Musik, die Lampen im Zimmer sind eingeschaltet. »Verzeihung!«, rufe ich – ist es das falsche Zimmer? Ist da jemand? Niemand antwortet mir. Also gehe ich doch hinein: Der Fernseher läuft, und auf dem Bildschirm steht zu lesen: »Guten Tag! Herzlich willkommen im Grand Hotel Esplanade.«
    Ach so! Erleichtert atme ich auf und beginne, meine Reisetasche auszupacken. Für vier Uhr früh bestelle ich den Weckdienst, denn um viertel nach fünf soll mich ein Wagen des Senders zum Studio bringen.
    Die nette Redakteurin hat mir gesagt, dass ich für meine Verpflegung selbst sorgen müsse, also habe ich mir am Bahnhof eine Brezel und einen Nougatring gekauft. Nougatringe sind billig und machen pappsatt, das weiß ich aus Pleitezeiten.
    Trotz aller Aufregung bin ich fit und ausgeruht, als um vier Uhr das Telefon klingelt. Ab in die Dusche, Haare waschen, ein bisschen Make-up, lässige Klamotten, ich will mich nicht verkleiden und im Fernsehen so sein, wie ich immer bin.
    Am Medienzentrum angekommen, melde ich mich am Empfang. Minuten später erscheint Jenny: Gut gelaunt und ausgeschlafen empfängt mich die junge Frau, die aussieht wie eine Viva-Moderatorin. Sie führt mich in den Warteraum, bringt Kaffee, frische Brötchen und macht mich mit einem jungen Mann bekannt. Er ist heute der Morning-Star, soll live singen, bis ihn die Zuschauer per Telefon abwählen. Netter junger Bursche, ein bisschen nervös, aber das bin ich jetzt auch. Um richtiges Lampenfieber zu bekommen, bleibt jedoch keine Zeit: Ich muss in die Maske.
    Es ist wie im Film: beleuchtete Spiegel, kippbare Ledersessel, Unmengen Lippenstifte, Töpfchen und Tiegel. Eine freundliche Maskenbildnerin schminkt mich und onduliert mir eine Außenrolle in die Haare. Zurück im Warteraum verfolge ich am Bildschirm die Sendung, in der ich gleich auftreten soll.
    »Ich glaube, ich möchte nach Hause!«, sage ich zu Jenny und stecke mir eine Zigarette an der anderen an.
    »Warum?«, fragt sie verständnislos.
    »Weil mir schlecht ist und weil ich Angst habe und weil ich gleich bestimmt keinen Ton
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