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Vom Kämpfen und vom Schreiben

Vom Kämpfen und vom Schreiben

Titel: Vom Kämpfen und vom Schreiben
Autoren: Carla Berling
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würde aber ein paar Tausender extra kosten.
    Ich lese in einer Zeitschrift die Geschichte des Rentners Kurt D. aus München, der seinen autobiografischen Roman in einer Auflage von dreitausend Büchern in einem Druckkostenzuschussverlag finanziert hat. Ich schreibe Kurt an, seine Faxnummer steht unter dem Artikel.
    Was er mir antwortet, klingt unglaublich, ist aber wahr: Leider, so teilte ihm der Verlag einige Wochen nach Erscheinen des Romans mit, würde der Verkauf schlecht laufen. Man bedaure dies außerordentlich, man habe damit auch nicht gerechnet, denn das Buch sei so vielversprechend gewesen, aber wenn sich in den nächsten Monaten keine besseren Verkäufe ergeben würden, dann sei man leider gezwungen, die restlichen Bücher einzustampfen, weil der Verlag die Kosten der Lagerhaltung nicht mehr länger finanzieren könne. Kurt D. könne jedoch die Restauflage von zweitausensiebenhundert Exemplaren zu den Selbstkosten des Verlags kaufen. Dabei gehe es um eine Summe von nochmals zwanzigtausend Mark. Kurt D. war außer sich vor Empörung, entschloss sich aber dennoch zum Kauf. Die Restauflage seiner Lebensgeschichte im Müll zu wissen, war ihm unerträglich. Seither lagern im Keller von Kurt D. zweitausendsiebenhundert Bücher, von denen niemand weiß, dass es sie gibt. Zunächst versuchte er noch, sein Buch in diversen Buchhandlungen persönlich vorzustellen. Meist wurde er mit dem Argument: »Wer soll das Buch denn kaufen? Es kennt Sie doch niemand!« nach Hause geschickt. In der Hoffnung, dass eine Erwähnung im Kulturteil der Tageszeitung oder im Feuilleton eines großen Blattes zu seinem Bekanntwerden beitragen würde, verschickte er Rezensionsexemplare, zunächst an die überregionale, dann auch an die örtliche Presse. Von den Zeitungen hat er bis heute nichts gehört.
    Ich erinnere mich an etliche Bücher, die unaufgefordert und mit der Bitte um Rezension bei uns in der Lokalredaktion landeten und immer ungelesen in den Mülleimer wanderten.
    Sicher ist wohl: Weil die Herstellungskosten der Bücher weit unter den Zuschüssen der Autoren liegen, machen die sogenannten Verlage in jedem Fall fette Gewinne. Nein, ich werde nicht in einem DKZ-Verlag veröffentlichen. Doch wer das laut sagt und die Gründe dafür nennt, muss Mitte der Neunziger mit einer Klage rechnen, auch das habe ich gelernt, und bis heute hat sich daran nichts geändert.
    Es muss auch anders gehen. Die Autorin, die mich so rüde zusammengestaucht hat, schreibe ich noch einmal an, weil ich nicht auf mir sitzen lassen will, dass ich ein »Spion« sei, jemand, der ihr schaden oder sie reinlegen wolle. Ich erkläre ihr, dass ich eine Kollegin bin – und dass ich mich als Journalistin für die Praktiken und Machenschaften der DKZ-Verlage interessiere. Wir telefonieren lange, und schließlich vertraut sie mir. Ein toller Briefwechsel entwickelt sich, per Fax.
    Sie nennt sich Lore-Dana und hat einen satirischen Science-Fiction-Krimi geschrieben, in dem ein punkiger Rabe die Hauptrolle spielt. Um die tausend Mark hat sie für fünfhundert dünne Taschenbücher bezahlt. Das Cover hat sie selbst gezeichnet, und es ist schief gedruckt. Lore-Dana ist eine Rebellin und hat der etablierten Branche den Kampf angesagt. Sie erzählt mir von einer eigenen Literaturzeitschrift, die sie herausbringen will. »Cool Tour« wird sie heißen. Lore-Dana will sie selbst layouten, zwanzig Seiten soll die Erstausgabe haben und fünf Mark kosten. Plus Versand. Lore-Dana plant fünfzig kopierte Exemplare, A4, sie investiert in moderne Spiralbindung und laminierte Cover.
    Derweil erfahre ich, dass es etliche solch engagierter Literaturzeitschriften gibt. Meine Buchhändlerin an der Ecke kennt sie nicht, hat nie von Titeln wie »Headline«, »Paloma«, »Federwelt«, »Eulalia« oder »Maskenball« gehört.
    Ich frage per Brief beim Literaturbüro in Detmold nach solcher Fachliteratur. Im von mir frankierten Rückumschlag bekomme ich eine Adressenliste. Noch weiß ich nicht, dass die meisten dieser Zeitschriften Non-Profit-Projekte sind und dass die Redaktionen keine kostenlosen Hefte verschicken können.
    Nur eine Redaktion in Dänemark antwortet mit dem gewünschten Probeheft. Es sind schlecht kopierte A-5-Blätter mit Klammerheftung. Das soll eine Literaturzeitschrift sein?
    Viele schreckliche Gedichte stehen in diesem Blatt, aber auch ein paar gute Texte. Mir gefällt der lockere Umgangston im Editorial. Ich reiche ein Gedicht ein.
    Nach ein paar Tagen kommt ein
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