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Vom Kämpfen und vom Schreiben

Vom Kämpfen und vom Schreiben

Titel: Vom Kämpfen und vom Schreiben
Autoren: Carla Berling
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Brief aus Dänemark: Die Redaktion der Paloma hat beschlossen, meinen Text in der kommenden Ausgabe zu drucken!
    Nun ist der Weg zum Nobelpreis frei. Ich pfeife wieder.
    Über diese Literaturzeitung lerne ich andere Blätter kennen, biete meine Texte auch dort an, verweise auf die erste Veröffentlichung. Nach vier Wochen habe ich bereits acht Veröffentlichungen. Unter den Texten der Autoren steht meist auch deren Faxnummer. Ich gerate in ein Fax-Netzwerk der selbsternannten Untergrund-Autoren. Ich beginne, Erfahrungen auszutauschen, endlich, das habe ich mir so lange gewünscht!
    Mein Mann und meine Söhne sind darüber weniger glücklich, denn wenn ein Fax ankommt, klingelt unser Telefon. Dann muss man von Telefonbetrieb auf Faxbetrieb umstellen. Leider haben viele meiner neuen Kollegen nachts die meiste Zeit und schicken dann meterlange Faxe, sodass die ganze Familie aus dem Bett geklingelt wird.
    Später besitzen wir zwar einen gebrauchten Computer, aber noch keinen Internetzugang.
    Durch die Tageszeitung komme ich an einen großen Fotojob – eine Hochzeit – und verdiene auf einen Schlag fünfhundert Mark. Soviel kostet der Zugang zum Internet. Als sich das Modem mit sphärischen Pieptönen einwählt, habe ich Gänsehaut. Hardy sagt: »Mit dieser Melodie kommt die ganze Welt in unser Wohnzimmer.«

Die ganze Welt im Wohnzimmer
    Ein Jahr später habe ich ein Sozialleben im Internet: Durch Literatur-Webringe und Mailinglisten lerne ich viele Leute kennen und verbringe etliche Stunden am Computer, um meine tägliche Post zu beantworten. Eine Stunde Internet am Tag leiste ich mir, sonst wird es zu teuer, die Flatrate ist noch nicht erfunden. Plötzlich habe ich das Gefühl, zu einem riesigen Netzwerk zu gehören. Ich korrespondiere mit dreißig Autoren aus ganz Deutschland, lerne Krimischreiber und Dichter kennen, Märchenerzähler und Philosophen, Essayisten, Kolumnisten und Glossenschreiber, Lektoren und Kleinverleger. Ich lerne, was Underground-Literatur und Social-Beat ist, höre von verrückten Veranstaltungen wie »Poetry Slam« – bei denen jeder alles vortragen kann –, ich kenne die Profile der Literaturzeitschriften und deren Anforderungen. Ich bin mitten in einer Szene und habe gar nicht gemerkt, wie ich hineingeraten bin.
    Jede Woche trudelt nun ein Belegexemplar einer Zeitung ein, in der Gedichte oder kurze Geschichten von mir gedruckt sind. Geld gibt es dafür nicht, aber ich bekomme Reaktionen und Kritiken. Die sind mir wichtiger als Geld. Ich erkenne Fehler, die ich allein nicht gefunden hätte, erfahre Inspiration und Unterstützung, werde um Rat gefragt und beziehe Stellung.
    Und als eine Geschichte von mir in einer Anthologie erscheint, in einem richtigen Buch zu lesen ist, mit meinem Namen darunter, da fühle ich mich als echte Schriftstellerin. Auch dafür bekomme ich kein Geld, das ist bei solchen Sammelwerken üblich, aber immerhin gibt es zwei Belegexemplare.
    Ich habe das Gefühl, mehr lernen zu müssen, anders zu lernen. Vielleicht bei den Profis? Ich nehme Kontakt zum Verband Deutscher Schriftsteller auf und bitte darum, dort aufgenommen zu werden. »Ich würde gern von gestandenen Literaten lernen«, das schreibe ich tatsächlich in dem Brief. Die Absage kommt nach ein paar Tagen.
    »Der VS ist eine gewerkschaftliche Vereinigung und nicht zur Förderung von Nachwuchsschreibern da«, nehme ich zerknirscht und beschämt zur Kenntnis. »Existenzerhaltende Absicherung der Arbeits- und Lebensbedingungen von Schriftstellern sind unsere Aufgaben, Verbesserungen von Literatur- und Kulturförderung, Entwicklung von Programmen zur Nachwuchsförderung und zur fachlichen Qualifizierung von Schriftstellern, Beratung in berufsrechtlichen Fragen sowie Fragen der Vorsorge für Krankheit und Alter, für den weiteren Bestand der Künstlersozialkasse und der Kopiervergütung über die VG Wort.«
    Das ist wichtig. Das sehe ich ein. Und ich schäme mich ein bisschen für meine Blauäugigkeit.
    Ich halte mich an meine Brieffreunde. Sie verstehen die Schreibsucht, die Motivation, die Träume und Wünsche. Es geht ihnen ähnlich. Unter ihnen – ich halte sie übrigens für echte Freunde, obwohl ich noch nie einen von ihnen gesehen habe – ist auch eine Verlegerin. Sie heißt Kamilla Jansen und lebt in Kiel. Kamilla hat in ihrem Kajaki-Verlag drei Bücher veröffentlicht: ihren eigenen Roman und zwei Anthologien, in denen jeweils fünfzig Autoren vertreten sind.
    Ihr erzähle ich von meinem
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