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Vom Himmel hoch

Vom Himmel hoch

Titel: Vom Himmel hoch
Autoren: Gerhard Branstner
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allmählich entwickelt haben, und zu diesen gehört auch der Streuselkuchen. Wie aber erfindet man etwas das zweite Mal, was das erste Mal gar nicht erfunden wurde? Das ist eine philosophische Frage. Sobald wir das erkannt hatten, schlugen wir in der einschlägigen Literatur nach. Aber weder die alten noch die neuen Philosophen konnten uns darauf eine Antwort geben. Schließlich begriffen wir, daß wir als erste auf diese Frage gekommen waren, was uns ungeheuer stolz machte. Auf den Streuselkuchen kamen wir allerdings nicht, aber das kümmerte uns schon nicht mehr. Was ist ein Streuselkuchen gegen eine philosophische Frage?«
    Stroganoff lehnte sich zurück, woraus die übrigen schlossen, daß seine Geschichte ihr Ende gefunden hatte.
    »Hm«, machte der Himmelsgärtner und wußte nicht recht, was er sagen sollte.
    Auch der Automatendoktor wußte es nicht und machte »Hm«. Kraftschyk hingegen grinste wieder einmal auf seine feine Art und sagte: »Unser Raumkoch hat da eine beachtliche Frage gestellt.«
    »Das will ich nicht bestreiten«, meinte Wirsing, »und ich möchte schon ganz gern das philosophische Gesetz kennen, nach dem man etwas, was niemals erfunden wurde, ein zweites Mal erfindet. Mehr dazu sagen kann ich allerdings nicht.«
    »Dazu wollte ich eigentlich gar nichts sagen«, sagte der Schwerenöter.
    »Das war aber doch«, versetzte Fontanelli, »die einzige beachtliche Frage, auf die Stroganoffs Geschichte hinauslief. Oder wolltest du«, wandte er sich an den Raumkoch, »noch auf eine andere hinaus?«
    »Nicht, daß ich wüßte«, entgegnete der Raumkoch. »Und wenn Kraftschyk auf eine andere hinauswill, dann will er mehr, als ich selber weiß.«
    »Mir geht es um den Streuselkuchen«, erklärte Kraftschyk. »Daß solch ein alltäglicher, wenn auch wohlschmeckender Gegenstand die philosophische Frage nach der Erfindbarkeit des Unerfundenen aufwirft, bedeutet doch, daß das Philosophische im Alltäglichen enthalten ist. Und das ist schon wieder eine philosophische Frage, diesmal aber eine von allgemeiner Bedeutung. Wir sehen also, daß selbst die unscheinbarste Erscheinung, wie unser Streuselkuchen, eine ganze Philosophie in sich birgt. Wir müssen uns nur darauf verstehen, sie zu entdecken.«
    »Hast du Streuselkuchen?« fragte Fontanelli den Bedienungsautomaten.
    »Nein«, piepte der Automat, »Streuselkuchen führen wir nicht.«
    »Schade«, sagte der Automatendoktor, »ich hätte gern einmal in eine ganze Philosophie gebissen.«
    »Wenn ich unseren Schwerenöter recht verstanden habe«, entgegnete Stroganoff, »so enthalten alle Dinge ihre Philosophie, auch der Wein. Du kannst sie also auch trinken.«
    »Du hast mich recht verstanden«, bekräftigte Kraftschyk. »Der Wein ist, philosophisch gesehen, verallgemeinerte Erfahrung. Er versammelt die Erkenntnisse von ganzen Völkerschaften über Hunderte von Generationen in sich. Der Wein enthält mithin die Wahrheit, daß der Mensch ein geschichtliches oder, wie die neuen Philosophen sagen, ein Gattungswesen ist.«
    »Na, dann prost!« sagte der Himmelsgärtner.
    »Und jetzt bist du dran«, sagte Kraftschyk.
    Der Himmelsgärtner setzte das Glas ab, leckte sich die Lippen und sagte: »Also.«
    Darauf nahm er noch einen Schluck und begann. »Es handelt sich um eine Geschichte, die mir auf einem ziemlich weit entfernten Planeten begegnet ist. Sie heißt
     
     
    Das Königsspiel
     
    und läuft darauf hinaus, daß um den Thron gespielt wird. Auch ich habe an diesem Wettkampf teilgenommen. Bevor es aber dazu kam, kam ich ins Kittchen. Und das lag daran, daß ich ein Mann bin. Als man mich verhaftete, versicherte ich entschieden, wie das bei solchen Gelegenheiten so üblich ist, daß das Ganze auf einem Irrtum beruhen müsse, doch die Polizistin behauptete, daß jeder Irrtum ausgeschlossen sei. Und da auch meine Gefährten Männer waren, wurden sie wie ich verhaftet und eingesperrt. Und das alles geschah, kaum daß wir auf diesem Planeten gelandet waren. Da wir außer der Feststellung, daß jeder Irrtum ausgeschlossen sei, bis dahin noch keinerlei Erklärung erhalten hatten, wußten wir auch noch nicht, daß der Grund unserer Gefangennahme in unserer Männlichkeit bestand. Wir wunderten uns nur darüber, daß sämtliche Polizisten und auch die Gefangenenwärter weiblichen Geschlechts waren. Und auch das Gericht, dem wir bald vorgeführt wurden, setzte sich ausschließlich aus Frauen zusammen. Allerdings muß ich zugeben, daß wir äußerst zuvorkommend
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