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Vom Geist der Dorsai

Vom Geist der Dorsai

Titel: Vom Geist der Dorsai
Autoren: Gordon R. Dickson
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Ergschleuder zuckenden grellen Blitze gesehen, die sich durch die Wände von Behelfshütten und die Leiber dahinter gebrannt und trockenes Holz und ölige Lumpen entzündet hatten.
    Als sie inmitten der Baracken landete, waren bereits einige der Desperados bewaffnet und aus ihren Unterkünften herausgestürzt. Der Rest des Kampfes entwickelte sich zu einem Durcheinander aus dahin wirbelnden Körpern und aufblitzenden Waffen. Die Gesetzeslosen waren alle Veteranen – aber ebenso die Frauen aus den verschiedenen Haushalten, auf ihre eigene Art und Weise. Es gab auf beiden Seiten gute Schützen, und mit ihrer damaligen, jugendlichen Spannkraft war sie jedem untrainierten Söldner ebenbürtig. Darüber hinaus wurde sie von einer zornigen Entschlossenheit angetrieben, die den Veteranen abging …
    Sie zwinkerte und vertrieb die Streiflichter des Traums. Die Desperados waren nun verschwunden – ebenso wie die Eversills, die versucht hatten, ihr Land zu stehlen, und auch andere Feinde. Sie alle gab es nun nicht mehr; sie hatten neuen Widersachern Platz gemacht. Amanda horchte noch einmal, aber im Haus von Fal Morgan war alles still.
    Nach kurzem Zögern stand sie dennoch auf und nahm ein wenige Sekunden dauerndes Bad in der frostigen Nachtluft, als sie nach dem Morgenrock auf dem Stuhl neben ihrem Bett griff. Der durch die dünnen Vorhänge sickernde, glänzende Mondschein ließ ihr trübes Abbild in dem großen Schrankspiegel wie einen bleichen Geist erscheinen. Ein Geist, der sechzig Jahre aus der Vergangenheit kam. Bevor sie den Mantel überstreifte, erweckte die schlanke und noch immer straffe Gestalt im Spiegel für einen Augenblick den Anschein eines jungen und festen Körpers.
    Amanda ging hinaus.
    Sie ging den langen, vertäfelten Korridor hinunter, zwanzig Schritte. Die vertrauten, stillen Konusgewehre und das andere Kriegsgerät in den Haltegerüsten zu beiden Seiten waren wie schweigende Wächter, und Amanda wurde sich der Tatsache bewußt, daß sie aus Gewohnheit wieder die Ergschleuder ergriffen hatte. Sie legte sie ins Regal zurück und ging weiter zur Tür, die ins Zimmer ihrer Urenkelin führte. Sie öffnete sie und trat ein.
    In diesem Flügel des Hauses tropfte das Mondlicht noch heller durch die Vorhänge. Betta schlief nach wie vor und atmete schwer. Ihr geschwollener Leib war wie ein Hügel des Versprechens unter den sie einhüllenden Decken. Die Sorge um dieses werdende Kind, die Amanda in all den vergangenen Monaten verspürt hatte, keimte mit neuem Nachdruck in ihr empor. Mit ihren Fingerspitzen strich sie kurz und sanft an dem rauhen und dicken Tuch entlang, das das ungeborene Leben bedeckte. Dann wandte sie sich um und ging wieder hinaus. Hinter der Biegung am anderen Ende des Ganges schlug die auf der Erde hergestellte Uhr Viertel nach vier.
    Sie war nun vollkommen wach, und ihr Verstand arbeitete reibungslos und zweckbestimmt. Die Geburt war nun jederzeit fällig, und Betta bestand darauf, den Namen Amanda zu verwenden, wenn es ein Mädchen wurde. War es falsch, dies erneut abzulehnen? Sie konnte ihre Entscheidung nicht mehr viel länger aufschieben. In der Küche kochte sie sich Tee. Sie setzte sich an den Tisch am Fenster, nippte an der Tasse und blickte hinaus, über die grünen Wipfel der Koniferen hinweg, der Kiefern und Fichten an dem Hang, der sich an der Seite des Hauses hinunterneigte und dann zum nahen Horizont des Gebirges hin anstieg; zu Füßen dieser Gipfel lagen sowohl Foralie-Stadt und das Haus Fal Morgan als auch ein Dutzend ähnlicher Heimstätten.
    Sie mußte die Entscheidung bald treffen. Sobald das Baby geboren war, würde es Betta nach ihr benennen wollen. Oberflächlich betrachtet schien es keine so wichtige Angelegenheit zu sein. Warum sollte ein bestimmter Name besonders geheiligt sein? Aber Betta war sich nicht dessen bewußt – niemand in der Familie schien sich dessen bewußt zu sein –, wie sehr der Name Amanda zu einem Talisman für sie alle geworden war.
    Das Problem war, daß ihr nicht mehr viel Zeit blieb. Es gab keine Garantie dafür, daß sie die Möglichkeit hatte, auf die Geburt weiterer Kinder zu warten. Aufgrund der sich vermutlich bald ergebenden Schwierigkeiten standen die Chancen schlecht, daß sie soviel Glück hatte, noch hier zu sein, wenn die offizielle Namensgebung des Kindes stattfand. Aber es gab einen triftigen Grund dafür, daß sie es in all den Jahren abgelehnt hatte, eins der Neugeborenen nach ihr benennen zu lassen. Gewiß, es war kein
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