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Vom Geist der Dorsai

Vom Geist der Dorsai

Titel: Vom Geist der Dorsai
Autoren: Gordon R. Dickson
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Afrika. Auf dem Meer östlich von Afrika sah sie seltsame Schiffe mit Breitfocksegeln. Sie lief über dem Mittelmeer und sah Italien. Sie sah auf Rom hinab, jene altehrwürdige Stadt, auf die Schweizer Alpen, wo die Leute jodelten und in den Bergen herumkraxelten, wenn sie nicht gerade hart arbeiten mußten. Und sie sah noch viele, viele andere Dinge, bis sie schließlich nach Hause zurücklief und in den Armen des Windes in ihrem Bett einschlief. An all das erinnerte sich Amanda nun, im Alter von zweiundneunzig Jahren – was ein Wert war, der ihr nichts bedeutete; sie saß hier am Tisch, Lichtjahre von den geträumten Orten entfernt, auf Dorsai, in Gedanken versunken, und während sie im letzten Schimmer des Mondscheins Tee trank, blickte sie auf die Koniferen hinab.
    Sie gab sich einen Ruck, schob die leere Tasse von sich fort und stand auf. Zeit, das Tagwerk zu beginnen – ihr Kontrollarmband summte, und der Klang deutete auf einen Anruf für sie hin.
    Sie betätigte die Komtaste des Communers. Die Verkleidung des Phonschirms an der Küchenwand schob sich zur Seite, und auf der sich erhellenden Bildfläche erschien die ernste Miene von Piers van der Lin. Das Gesicht blickte sie an und musterte sie; die Zeit hatte seine Züge tiefer in die Haut gemeißelt, als sie es bei anderen Menschen beobachtet hatte. Ein rasselndes Geräusch flüsterte und knisterte im Hintergrund seiner beschwerlich klingenden Stimme.
    „Entschuldigen Sie, Amanda“, sagte er langsam und heiser, und in seinem Tonfall kamen sowohl hohes Alter als auch die Schwächung durch lange Krankheiten zum Ausdruck. „Ich habe Sie geweckt, nicht wahr?“
    „Mich geweckt?“ Sie spürte eine gewisse Anspannung in ihm und war plötzlich alarmiert. „Piers, der Morgen dämmert bereits. Sie sollten mich besser kennen. Was haben Sie auf dem Herzen?“
    „Schlechte Nachrichten, fürchte ich …“ Zwischen den einzelnen Worten zischte sein Atem gleich der leisen, fernen Melodie von Kriegsorgeln. „Die Invasionstruppen von der Erde sind unterwegs. Haben die Information gerade erhalten. Elitesoldaten der Koalition … werden diesen Planeten in zweiunddreißig Stunden erreichen.“
    „Nun, Cletus sagte uns, das würde geschehen. Wollen Sie, daß ich in die Stadt komme?“
    „Nein“, erwiderte er.
    Entgegen ihrer Absicht nahm ihre Stimme einen schärferen Tonfall an.
    „Seien Sie kein Narr, Piers“, sagte sie. „Wenn sie uns die Freiheit nehmen können, die wir hier haben, dann ist das das Ende von Dorsai, dann bleibt nur der Name. Wir alle sind entbehrlich.“
    „Ja“, sagte er rasselnd, „aber auf dieser Liste stehen Sie ganz unten. Seien Sie nicht selbst eine Närrin, Amanda. Sie wissen, was Sie uns bedeuten.“
    „Piers, was soll ich Ihrer Meinung nach tun?“
    Er musterte sie mit einem von den gleichen Jahren zerfurchtem Gesicht, die an ihr fast spurlos vorübergegangen waren.
    „Cletus hat gerade Eachan Khan die Nachricht zukommen lassen, sich aus allen Verteidigungsaktionen hier herauszuhalten. Damit sind wir wieder genau da, wo wir angefangen haben, was die Wahl eines Kommandeurs für den Distrikt angeht. Ich weiß, Betta kann nun jederzeit …“
    „Darum geht’s nicht“, unterbrach sie ihn. „Sie kennen den springenden Punkt. Sie sollten ihn kennen. Ich bin nicht mehr so jung. Will der Distrikt jemandem die Verantwortung übertragen, der der Aufgabe nicht gewachsen ist?“
    „Die Leute wollen Sie, um jeden Preis, und das wissen Sie“, sagte Piers fest. „Auch Eachan akzeptierte die Anweisung Cletus’ nur, weil Sie hier sind, um die Sache in die Hand zu nehmen. Es gibt niemand im ganzen Distrikt – ganz gleich, zu welcher Familie er gehört oder wie alt er ist –, der nicht jedem Ihrer Befehle gehorchen würde. Das kann niemand sonst von sich behaupten. Was, glauben Sie, kümmert die Leute die Tatsache, daß Sie physisch gesehen nicht mehr das sind, was Sie einmal waren? Sie wollen Sie.“
    Amanda atmete tief durch. Tief in ihrem Innern hatte sie so etwas geahnt.
    Er fuhr fort: „Ich habe bereits Arvid Johnson und Bill Athyer davon unterrichtet – jene beiden Offiziere, die Cletus hier zurückgelassen hat, damit sie die Verteidigung des Planeten organisieren. So wie es derzeit um Betta steht, hätten wir nicht auf Sie zurückgegriffen, gäbe es eine andere Wahl … aber die gibt es im Augenblick nicht …“
    „In Ordnung“, sagte Amanda. Es hatte keinen Sinn zu versuchen, sich vor einer Notwendigkeit zu drücken. Sie
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