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Vom Geist der Dorsai

Vom Geist der Dorsai

Titel: Vom Geist der Dorsai
Autoren: Gordon R. Dickson
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leicht zu erklärendes oder zu rechtfertigendes Motiv. Die Ursachen dafür waren in mancherlei Hinsicht genauso nebulös wie ein tief verwurzelter Aberglaube: Es war das Gefühl in ihr, daß der Haushalt Fal Morgan nur so lange Bestand hatte, wie jener Name einem unverrückbaren Fels glich, an dem alle Halt finden konnten. Und wie sollte es ihr möglich sein vorauszusagen, wie sich ein Baby entwickelte?
    Damit hatte sie das Problem erneut einmal ganz umrundet, ohne irgendwo einen Ansatzpunkt zu finden. Während sie ihren Tee trank, ließ sie ihre Gedanken für ein paar Augenblicke abgleiten. Sie betrachtete die Nadelbäume am Hang; sie hatte tief in die Tasche greifen müssen, um sie als Sämlinge zu erstehen, damals, als Flora und Fauna der Erde schließlich auch von jenem Planeten importiert worden waren, den seine Bewohner Dorsai nannten. Inzwischen waren sie so groß geworden, daß sie das Schußfeld in diese Richtung vom Haus aus gesehen blockierten. Während der Friedlosen Jahre hätte sie es niemals zugelassen, daß sie so hoch wuchsen.
    Angesichts dessen, was nun von der Erde aus an Schwierigkeiten auf sie zukommen mochte, hätte man sie wahrscheinlich ganz fällen sollen – obwohl sich irgend etwas tief in ihr gegen diese Vorstellung sträubte. Dieses Haus, dieses Land, die ganze Heimstatt … das alles stellte etwas dar, das sie für sich selbst geschaffen hatte, für ihre Kinder und die Kinder ihrer Kinder. Es war ihr größter Traum, der hier Gestalt angenommen hatte. Alles war hart erkämpft, und sie konnte keinen noch so unbedeutenden Bestandteil davon einfach so aufgeben.
    Sie rührte sich nicht von ihrem Platz am Fenster, und als sie weiter an dem heißen Tee nippte, wandten sich ihre Gedanken völlig ab von den drohenden Gefahren der Gegenwart. Das Bild von Caernarvon und dem Wales ihrer Kindheit nahm vor ihrem inneren Auge Kontrast an, das im Obergeschoß gelegene kleine Zimmer mit der schiefen und gewölbten Decke.
    An all das erinnerte sie sich nun, als sie hier in diesem Haus saß, in dessen Wänden gegenwärtig nur zwei Herzen schlugen. Nein – drei, wenn man das auf seine Geburt wartende Kind mitzählte, das bald seine eigenen Träume haben mochte. Wie alt war sie gewesen, als sie zum erstenmal davon geträumt hatte, auf den Böen des Windes zu reiten?
    Es war einer ihrer frühesten Träume, an die sie sich erinnern konnte, ein Wachtraum – phantasievolle Bilder, die ihr auch während des Einschlafens zugeflogen waren. Sie hatte sich vorgestellt, auf dem zischenden Atem des stürmenden Windes reiten zu können, über Städte und Wälder hinweg. In ihrer Phantasie war sie barfuß auf den Wogen des Sturms gelaufen und hatte die Wellenlinien der pfeifenden Luft unter ihren Fußsohlen spüren können, einer weichen, zitternden Matratze gleich. Sie war damals sehr jung gewesen. Doch die Vorstellung dieses Böenreitens hatte sie tief beeindruckt.
    Sie war im Geiste von Caernarvon und Cardiff direkt bis nach Frankreich und zurück gelaufen. Nicht über lange Reihen von Sonnenkollektoren und die qualmenden Leiber von Fabriken, sondern über weite Felder und Äcker, über Berge und Viehherden und über Blumen auf Wiesen, wo Grünes wuchs und Menschen glücklich waren. Schließlich hatte sie sich alles eingeprägt, so daß sie, in ihrer Vorstellung, schneller und weiter laufen konnte als irgend jemand anders.
    Niemand war so flink wie sie. Sie ritt auf den Böen nach Spanien und Norwegen. Sie lief in der luftigen Umarmung des Windes über ganz Europa hinweg, bis nach Rußland; sie lief nach Süden, bis zum Hörn von Afrika und darüber hinaus zur Antarktis, wo sie die großen Wale sah, die noch immer die Meere durchschwammen. Sie lief nach Westen, über Amerika hinweg, dann südwärts nach Südamerika. Sie sah die Cowboys und Gauchos, so wie sie einst gewesen waren; sie sah die sonderbaren Menschen von Feuerland, wo es ziemlich kalt war.
    Sie lief weiter nach Westen, über den Pazifik, den ganzen Südpazifik, von dort aus nach dem Nordpazifik. Sie lief über die Vulkane der Inseln von Hawaii, über Japan und China und Indochina. Sie lief im Süden über Australien und sah Wüsten und die großen Schafherden und die springenden Känguruhs.
    Dann wandte sie sich wieder nach Westen. Sie sah die Steppen der Ukraine, das Schwarze Meer und das einstige Konstantinopel, die Türkei, all die weiten Ebenen, durch die Alexander der Große seine Armeen gen Osten geführt hatte. Und dann wieder zurück nach
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