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Vom Baum Der Erkenntniss

Titel: Vom Baum Der Erkenntniss
Autoren: Karl Gutzkow
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Stelle muß so oder so betont oder gespielt werden, drückte Voltaire sich aus: »Für den Fall, daß man etwa dies Stück auf Provinztheatern geben sollte, muß ich bemerken, daß alle mit einem Stern bezeichneten Verse nur scheinbar kalt gesprochen werden dürfen.« Der Schall von Ferney wußte sehr wohl, daß auch den ersten Künstlerinnen der Welt oft genug Noth thut, vom Dichter erst die wahre Absicht zu erfahren, die er mit dieser oder jener Stelle seines Gedichts verbunden hat. Er war indessen Weltmann und Kenner der Künstlereitelkeit genug, seine Vorschriften scheinbar an Provinzschauspieler zu richten, was uns an jenen verdrießlichen Herrn erinnerte, der in einem Gasthof seinem etwas lustigen und laut trällernden Nachbar schrieb: »Mein Herr, sagen Sie doch gefälligst Ihrem Bedienten, daß er sein häufiges und störendes Singen einstellen möchte!«
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    In einer Provinzialstadt stirbt kürzlich der Direktor des Theaters. Die Garderobière, aus Trauer , betrinkt sich. Sie will eine Treppe hinuntersteigen undbricht den Hals. Während der eine Todte im Hintergebäude der Bühne ruht, der andere Leichnam im Blute schwimmend gefunden wird, spielt die Truppe unter Gelächter des Publikums die Posse: »Wenn Leute kein Geld haben.« Kann es ein schauerlicheres Bild der Tragikomödie des Bühnenlebens geben?
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    Man braucht nur Schillers Jugendstücke und Iffland zu lesen, um zu erkennen, wie doch unsre alten Schauspieler bessere waren. Eine neue Welt bekämpfte damals die alte. Sie wollte den Sieg erringen mit den Waffen der Poesie. Auch die Schauspieler durften da Herolde, Dolmetscher, Mitkämpfer des Heereszuges sein. Wie dreist und offen sind die Bezeichnungen Tyrann, Buhlerin, Schurke u. s. w., die in jenen Stücken vorkommen – ! Jetzt geht alles auf der Bühne der wirklichen Welt aus dem Wege. Die Schauspieler, denen jedes scharfe Wort umschrieben, gemildert wird, sind meist Maschinen, schöne Puppen, keine Menschen mehr.
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    Wir möchten Angesichts unserer wie Sand am Meer zunehmenden Liedercompositionsfülle wünschen, eine so praktische, kenntnißreiche und zugleich dichterisch gestimmte Befähigung, wie die unglückliche Johanna Kinkel war, hätte ein solches Büchlein über Salongesang und neue Liedermoden geschrieben, wie sie ein derartiges über Clavierunterricht herausgegeben hat. Veranlassung, Ungeschmack und Oberflächlichkeit, verhimmeltes, süßliches Wesen, ein ewiges Thränenloben und nicht endendes Stern- und Blumenschmachten zu geißeln, hätte sie da genug gefunden.
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    Nach dem Begriff des Schönen frage man Andere, nur nicht die, die selbst schaffen. Jeder Künstler arbeitet nach einem andern System der Aesthetik.
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    Im Roman sieht die Masse auf Verknüpfung des Zufälligen, der Gebildete auf Entwicklung des Nothwendigen. Durch eine und dieselbe Thatsache beiden Forderungen zugleich genügen, macht den kunstvollen Dichter.
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    Sage mir, wer dich liest, dann sag' ich dir, was du bist.
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    Wenn Boileau lehrte: »Nichts ist schön, was nicht wahr ist,« so möchte man fragen: konnte aber etwas wahrer sein als der Buckel des Aesop und die Häßlichkeit des Thersites? Und dennoch hat Boileau recht und die Macbethhexen mit ihrem »Schön ist häßlich, häßlich schön!« haben nicht minder recht. Denn unter Umständen ist der Buckel des Aesop eine Schönheit. Er rührt uns im Vergleich mit Aesops Weisheit. Thersites wird der Schönheit dessen gegenüber, den er schmählt, ebenfalls zu einer behaglich genießbaren Folie des Achilles, wie Caliban eine Folie Miranda's und Ariels ist. Im Nachgefühl des kurz zuvor aufgenommenen Schönen kann man auf dem Häßlichen mit vollem Behagen verweilen. Des Dichters Kunst ist eben die, das Häßliche zur Verstärkung der Kraft des Schönen richtig anzuwenden.
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    Lieber Autor, ich soll dir etwas wünschen – ! Ich wünsche dir nicht Geld, nicht Ruhm, nicht Ehre, nichtFeinde (obschon auch diese etwas werth sind), ich wünsche dir zwei Dinge, die zum Handwerk gehören. Einmal – kein allzumächtig wallendes Herz! Der Leser ist nie so ergriffen wie der Autor. Geht mit dem Autor die Empfindung durch, so bleibt der Leser meist auf halbem Wege zurück und sieht nur kalt, unergriffen, lächelnd der mit dir durchgegangenen Leidenschaft nach. Dann wünsch' ich dir zum zweiten einen wahren Himmelssegen des Schriftstellers: keine Furcht vor Mißverständniß. Wer oft unverstanden geblieben ist, wer lieblos gedeutet und entstellt wurde, der
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