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Vollmeisen

Vollmeisen

Titel: Vollmeisen
Autoren: Klein Kerstin
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– der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.
    Als wir in Simons wunderschöne Wohnung traten, kam sie mir plötzlich schöner denn je vor. Ich sah mich um und fing an, leise zu schniefen. Hier war mein Leben, und ich wollte es wiederhaben. Ich verstand immer noch nicht, warum Simon sich von mir getrennt hatte. Ich war weder hässlich noch blöd, und in Lack und Leder sah ich ganz schön scharf aus. Aber Britt hatte wohl in der letzten Zeit genug Geheule von mir ertragen, denn jetzt drängte sie mich zur Eile. Während ich all meine Klamotten (sehr viele), meine Kosmetik (noch mehr) und meine Bücher (drei) zusammensammelte, murmelte Britt was von »Bin gleich wieder da« und verschwand in den Tiefen der Traumwohnung. Tolle Hilfe.
    Ich packte und packte, stopfte einen Müllsack nach dem anderen voll und ließ mich seufzend aufs Sofa fallen, als ich fertig war. Erst dann tauchte Britt wieder auf und begutachtete den Inhalt der Beutel. »Sag nichts. Alles, was in diesen Tüten ist, gehört dir, nur dir allein, stimmt’s?«
    Â»Ja«, erwiderte ich, »was denkst du denn, dass ich Simons Boxershorts und sein Surfbrett hier drin hab?«
    Kopfschüttelnd sah Britt mich an: »Du bist wirklich ein bisschen zu blöd für diese Welt, kann das sein? Drei Jahre machst und tust du alles für diesen Idioten, und am Ende gehst du mit leeren Händen? Das hier nimmst du mit«, beschloss sie und legte mir ihre Beute aufs Bett wie ein dressierter Labrador. Da waren – mindestens – zwölf Hundert-Euro-Scheine, eine goldene Rolex , eine antike Spieluhr und ein Burberry -Trenchcoat (auf den war sie schon immer scharf gewesen).
    Â»Das können wir doch nicht machen«, stotterte ich erschrocken, »das ist mindestens schwerer Diebstahl und Betrug zweiten Grades oder so.«
    Â»Können wir nicht?«, fragte sie drohend. »Aber er kann, ja? Er hat dir drei Jahre deines Lebens gestohlen, und sein Betrug war ersten Grades. Das hier ist nichts Schlimmes, nur ausgleichende Gerechtigkeit.«
    Na ja, so gesehen schien mir ihre Beweisführung schlüssig. Außerdem, der Schweinehund hatte mir nicht mal eine Abfindung gezahlt, dabei habe ich den ganzen Tag am Telefon gesessen und Bestellungen aufgenommen. Also, ausgleichende Gerechtigkeit ist was Gutes.
    Britt half mir noch, all die Tüten erst in ihr Auto und dann in die Töpferwerkstatt zu bringen und machte sich wieder auf den Weg, gekleidet in Simons Trenchcoat. Mir war komisch zumute, eben noch im Penthouse und nun zurück im Kinderzimmer, das eine Töpferwerkstatt war. Das Haus war ruhig, meine Mutter war sicher wieder dabei, ihre Tupperware an die Hausfrau zu bringen. Ich begutachtete meine Tüten. Das Geld verstaute ich erstmal vor den Blicken meiner Mutter, ich glaubte eher nicht, dass sie sich meiner Beweisführung anschließen würde. Die Spieluhr kannte ich überhaupt nicht, und was ich mit der Rolex sollte, war mir nicht ganz klar.
    Ich weiß nicht, ob das so ein guter Griff von Britt war, wie sollte ich das Teil denn zu Geld machen? Pfandhaus oder Ähnliches wäre ja sofort zu mir zurückzuverfolgen, da könnte ich mir ja gleich »Dieb« auf die Stirn tätowieren lassen. Eine Kleinanzeige, so in der Art »Vertrauenswürdiger, verschwiegener Hehler gesucht, gute Ware garantiert«, war auch nicht schlau. Ich könnte mich noch ins Rotlichtviertel stellen, Britt den Trenchcoat wieder abnehmen und bei jedem, der vorbeigeht, den Mantel mit der ins Innenfutter genähten Uhr öffnen und immer: »Pssst. Brauchst du Uhr? Gute Uhr, nix Imitat, gut Preis für dich« wispern. Aber bei der Pechsträhne, die ich im Moment habe, ist mein potenzieller Kunde bestimmt ein Zivilfahnder, von denen soll es in Rotlichtvierteln ja nur so wimmeln. Ach je, ich hatte es auch wirklich nicht leicht.
    Hätte ich gewusst, als wie wahr sich dieser Seufzer noch herausstellen sollte, hätte mir mein Mittagessen bestimmt nicht mehr geschmeckt.
    Am nächsten Morgen stand ich wieder in aller Herrgottsfrühe auf und ließ mich von meinem Vater bei der Agentur für Arbeit absetzen. Stunden später erfuhr ich das erste Mal in meinem Leben, wie es so war, arbeitslos zu sein. Die für mich zuständige Sachbearbeiterin war Frau Müller-Schultze, und dieser Doppelname war der erste Hinweis auf eine fantasiefreie Persönlichkeit. Frau Müller-Schultze war so Ende
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