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Vollmeisen

Vollmeisen

Titel: Vollmeisen
Autoren: Klein Kerstin
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mir leid, Mama, aber ich finde, du bist auch ein bisschen rund um die Hüften geworden. Ich werfe sie in den Mülleimer«, sagte ich und ging hinaus. Meine Mutter starrte mir beleidigt hinterher. Aber besser beleidigt als tot, oder?
    Ich musste jetzt wirklich mal herausfinden, was eigentlich los war, und versuchte Simon zu erreichen. Aber keine Chance, das Handy war wieder ausgeschaltet, und selbst in seiner Firma ging niemand ans Telefon. Das war wirklich komisch. Lack und Leder ist vierundzwanzig Stunden täglich erreichbar, selbst am Wochenende. Ich würde da demnächst mal vorbeischauen, Simon war es mir zumindest schuldig, diesen belgischen Mafiosi loszuwerden.
    Am nächsten Morgen bekam ich einen Anruf von Herrn Eckel, dem Versicherungsfritzen, der mich zum Vorstellungstermin einlud. Endlich ein Lichtblick, denn mit einem Job würde ich mir endlich wieder eine eigene Wohnung mieten können. Nichts gegen meine Eltern, aber noch eine Woche mit Günther Jauch würde ich nicht überleben. Außerdem hatte ich mindestens zwei Kilo zugenommen, bei meiner Mutter gab es die gute alte Hausmannskost, von der neuen, leichten Küche hielt sie so gar nichts.
    Ich suchte aus meinem großen Kleiderfundus ein seriöses Outfit, fand aber nur ein schwarzes Kostüm, in dem ich aussah, als ob ich zur Beerdigung eines Staatsoberhauptes gehen würde. Half nichts, wenigstens passte es und zwickte nicht allzu doll in den Hüften. Die Agentur war in einem großen Eckhaus untergebracht und machte einen sehr seriösen Eindruck. Herr Eckel war ein kleiner dicker Mann und wirkte nervös. Vielleicht hatte er nicht so viel Erfahrung mit Bewerbungsgesprächen. Er begrüßte mich in seinem Nussbaum-Büro und blätterte in meinen Unterlagen. »Also, bei Lack und Leder waren Sie, was?« Er kicherte. »So ein aufgeschlossenes Mädchen kann ich hier gut brauchen, ich wollte immer schon eine Erfahrene kennenlernen.«
    Ich beschloss, sein Gerede nicht als anzüglich zu betrachten, und zwang mich, an Günther Jauch zu denken. »Nun, Herr Eckel, ich bringe einiges an Erfahrung mit, ich arbeite sehr effizient und bin sehr geübt im Umgang mit Kunden.«
    Â»Geübt, hä? Das hört sich sehr gut an. Ich will dich«, keuchte er und stierte mir in den Ausschnitt.
    Â»Das freut mich«, antwortete ich ihm, »wann kann ich denn anfangen?«
    Das war wohl sein Stichwort, denn er schoss um den Schreibtisch herum auf mich zu, ließ sich vor mir auf die Knie sinken und winselte mit einer widerwärtigen Stimme: »O Herrin, lass mich dein Sklave sein.« Dann versuchte er auch noch, mir die Schuhe abzulecken. Iiiiiiigitt … Ich sprang auf und brachte mich in Sicherheit. »Herr Eckel, sind Sie bescheuert? Was soll das denn? Ich denke, Sie suchen eine Empfangsdame?«
    Er guckte mich wütend an: »Du Schlampe, mit deiner Vergangenheit brauchst du dich hier nicht so aufzuspielen. Schreibst in deine Bewerbung ›mit Lack und Leder macht’s Spaß mit jeder‹ und spielst dann hier die Unberührte? Raus aus meinem Büro, ich habe keine Zeit, mich von einer Nutte verarschen zu lassen. Erst die Männer aufgeilen und dann die Heilige Jungfrau geben. Raus hier, aber sofort!«
    Das brauchte er mir nicht zweimal zu sagen, bloß weg hier, dachte ich. Ich sag’s ja, die schrägsten Sachen passierten immer mir. Und einen Job hatte ich immer noch nicht.
    Meine Mutter riss sofort die Haustür auf, als ich nach Hause kam, und sah mich erwartungsvoll an. »Und, wie ist es gelaufen? Bist du jetzt in der Versicherungsbranche?«
    Ich gab ihr einen kurzen Abriss meines »Bewerbungsgespräches«, und sie schüttelte den Kopf: »Da siehst du mal, was du dir eingebrockt hast. Brichst dein Studium ab, um in der Sexbranche zu arbeiten, und wunderst dich hinterher, dass ein gefallenes Mädchen nicht mehr ernst genommen wird. Das hast du nun davon.«
    Â»Was?«, flippte ich aus. »Jetzt bin ich auch noch schuld, wenn mich so ein notgeiler Affenarsch für eine Domina hält?«
    Â»Es reicht«, gab meine Mutter scharf zurück. »Weiß der Himmel, welche Gossensprache du dir da in deinem Milieu angewöhnt hast, aber solche Ausdrücke dulde ich nicht in diesem Haus. Geh sofort auf dein Zimmer.«
    Ein jahrelanger Automatismus brachte mich tatsächlich dazu, wie eine Siebenjährige »auf mein Zimmer« zu gehen. Konnte
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