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Vollmeisen

Vollmeisen

Titel: Vollmeisen
Autoren: Klein Kerstin
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wenn es Tellerwäscher zum Millionär brachten, warum nicht auch die Empfangsdame zur Vorstandschefin einer großen Versicherung? Alles nur eine Frage der Einstellung.
    Später kam meine Mutter nach Hause, vollgepackt mit Mustern ihrer Tupperware . Ich erzählte ihr von meiner Bewerbung, allerdings nichts von meiner Begegnung in Simons Wohnung, sie regte sich immer so schnell auf.
    Â»Na, das hört sich doch mal solide an. Und du weißt ja, Büros sind die besten Heiratsbörsen. Da wirst du ruck, zuck jemand Neues finden, der es auch ernst mit dir meint.« Manchmal ist meine Mutter ein bisschen sehr altmodisch, aber irgendwie ganz süß. Sie ist vierundfünfzig, und das gilt heute ja eigentlich noch als fast jung. Ich meine, Jerry Hall müsste auch in etwa so alt sein, und die modelt noch. Na ja, ein bisschen älter als Jerry Hall wirkte meine Mutter irgendwie schon, aber das ist ja vielleicht auch ganz gut so. Sie war schließlich auch nicht mit einem Rockstar verheiratet gewesen, sondern nach wie vor mit einem Klempnermeister.
    Wir verbrachten dann einen ganz netten Nachmittag zusammen, und mangels Alternativen setzte ich mich sogar am Abend mit meinen Eltern vor den Fernseher und schaute Wer wird Millionär ? Wurde aber niemand.
    In den nächsten Tagen passierte nicht viel, außer dass mich täglich irgendein Spinner auf dem Handy anrief und dann so eklig schnaufte. Ich sollte mal mehr darauf achten, wem ich meine Handynummer gab. Am Mittwoch schickte meine Mutter mich zur Reinigung, die, natürlich, wieder mitten in einem Einkaufszentrum lag. Zufällig hatte ich ein paar von Simons Hundert-Euro-Scheinen in der Tasche, und so wurde es doch noch ein ganz netter Nachmittag. Als ich zurückkam, bekam ich keine missbilligenden Blicke wegen der vielen Tüten in meiner Hand, sondern ein strahlendes Lächeln von meiner Mutter: »Ach Alice, ich wusste ja gar nicht, dass du so nette Freunde hast. Nun hast du ihn gerade verpasst, er musste vor fünf Minuten gehen. Aber so ein netter Mensch, wir haben uns wunderbar unterhalten.«
    Merkwürdig, denn die meisten meiner »Freunde« waren nach der Trennung geschlossen zu Simon übergetreten, und die wenigen Unentschlossenen, die es noch gab, wussten nicht, wo ich jetzt wohnte.
    Â»Wer war denn hier, Mama?«
    Â»Der Herr Laurent wollte dich besuchen. Also, ein paar Wochen Diät würden ihm ganz guttun, aber danach sollte man einen Menschen ja nicht beurteilen.«
    Ich sah sie ziemlich verwirrt an: »Ich kenne keinen Herrn Laurent.«
    Â»Ach Kind, du bist ja ganz durcheinander. Ich soll dir von ihm ausrichten, dass er an dich denkt und du dich um euren gemeinsamen Bekannten kümmern sollst. Dass man dich an solche Selbstverständlichkeiten aber auch immer noch erinnern muss, so habe ich dich nicht erzogen. Ach ja, und ein Geschenk hat er dir auch noch dagelassen«, sagte sie und hielt ein Paket belgische Pralinen in der Hand.
    Â»O mein Gott!«, schrie ich, riss ihr die Pralinen aus der Hand und schmiss sie mit Wucht in den Vorgarten. »Unter den Tisch, Mama, geh in Deckung. Die sind mit Bomben gefüllt.«
    Ich duckte mich schon mal unter den Küchentisch, während meine Mutter ihren Platz nicht verlassen hatte und mich anstarrte: »Alice, bist du jetzt völlig von allen guten Geistern verlassen? Was ist denn bloß los mit dir, nimmst du vielleicht irgendwelche Drogen? Sofort holst du die Pralinen wieder rein, was sollen denn die Nachbarn denken?«
    Okay, ich habe vielleicht wirklich wieder überreagiert, und da es bis jetzt noch keinen Knall gegeben hatte, waren die Pralinen vielleicht auch keine manipulierten Bomben. Aber dass der dicke Belgier hierher, zu meiner Mutter, gekommen war, trieb mir den Angstschweiß auf die Stirn. Damit war meine Theorie vom belgischen Humor wohl überholt. Aber ich wollte meine Mutter nicht noch mehr aufregen, also kam ich wieder unter dem Tisch vor und entschuldigte mich: »Tut mir leid, Mama, aber ich muss dringend eine Diät machen, und die erlaubt keine Süßigkeiten im Haus. Solche Pralinen sind wie Bomben, die explodieren förmlich auf den Hüften.«
    Â»Ich komm da nicht mehr mit«, schüttelte meine Mutter den Kopf, »deshalb so ein Geschrei? Dann schenk sie doch einfach mir.«
    Nee, das ging auch nicht. Auch wenn sie nicht mit einer Sprengladung gefüllt waren, vergiftet konnten sie trotzdem sein. »Tut
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