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Vollendet (German Edition)

Vollendet (German Edition)

Titel: Vollendet (German Edition)
Autoren: Neal Shusterman
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Direktor. »Diese Einrichtung ist unsere erste Wahl für unsere Wandler. Mein Neffe wurde dort umgewandelt.«
    »Schön für ihn.«
    »Veränderung«, wiederholt die Sozialarbeiterin, »mehr nicht. Wie Eis zu Wasser wird und Wasser zu Wolken. Du wirst leben , Risa. Nur in einer anderen Form.«
    Aber Risa hört nicht mehr zu. Panik steigt in ihr auf. »Ich muss nicht unbedingt Musikerin sein. Ich kann auch etwas anderes tun.«
    Direktor Thomas schüttelt traurig den Kopf. »Ich fürchte, dafür ist es zu spät.«
    »Nein, ist es nicht. Ich könnte trainieren und in eine Eliteeinheit gehen. Das Militär braucht immer Nachwuchs!«
    Der Anwalt seufzt genervt auf und schaut auf die Uhr. Die Sozialarbeiterin beugt sich vor. »Risa, bitte. Ein Mädchen muss bestimmte körperliche Voraussetzungen erfüllen, außerdem viele Jahre hart trainieren.«
    »Habe ich denn gar keine Wahl?« Sie wirft einen Blick zur Tür, und die Antwort ist klar. Zwei Wachen stellen sicher, dass sie ganz bestimmt keine Wahl hat. Als sie weggebracht wird, muss sie an Mr. Durkin denken und lacht bitter auf. Vielleicht geht sein Wunsch doch noch in Erfüllung. Vielleicht sieht er tatsächlich eines Tages ihre Hände in der Carnegie Hall. Aber der Rest von Risa wird dann leider nicht dort sein.
    Nicht einmal in ihren Schlafsaal darf sie zurückkehren. Sie muss nichts packen, sie braucht nichts mehr. So ist das bei Wandlern. Nur ein paar Freunde schleichen hinunter, umarmen sie verstohlen und vergießen ein paar Tränen, immer in Alarmbereitschaft, um ja nicht erwischt zu werden.
    Mr. Durkin kommt nicht. Das schmerzt Risa ganz besonders.
    Sie schläft im Gästezimmer im Empfangsbereich des Waisenhauses. Im Morgengrauen wird sie mit anderen Mädchen und Jungs in einen Bus verfrachtet, der sie von dem riesigen Komplex wegbringt. Ein paar Gesichter sind ihr vertraut, aber richtig kennen tut sie keinen.
    Auf der anderen Seite des Gangs sitzt ein ziemlich gutaussehender Junge – dem Anschein nach ein Soldat – und lächelt sie an. »Hallo«, sagt er und flirtet mit ihr, wie nur die Jungs aus den Eliteeinheiten es können.
    »Hallo«, antwortet Risa.
    »Ich wechsle zur Staatlichen Marineakademie«, sagt er. »Und du?«
    »Ich?« Sie schaut in die Luft, während sie nach einer eindrucksvollen Antwort sucht. »Miss Marple’s Akademie für Hochbegabte.«
    »Sie lügt«, sagt ein dürrer, blasser Junge, der auf der anderen Seite von Risa sitzt. »Sie ist ein Wandler.«
    Der junge Soldat rückt auf einmal von ihr ab, als ob sie eine ansteckende Krankheit hätte. »Oh«, sagt er. »Ach … äh …schade. Bis denn!« Damit steht er auf und setzt sich zu ein paar anderen Kameraden nach hinten in den Bus.
    »Danke«, blafft Risa den dürren Jungen an.
    Er zuckt nur die Achseln. »Ist doch sowieso egal.« Dann hält er ihr die Hand hin. »Samson«, sagt er. »Ich bin auch ein Wandler.«
    Risa muss fast lachen. Samson. So ein starker Name für so einen blassen Jungen. Sie ergreift seine Hand nicht, denn sie ist immer noch wütend, weil er sie vor dem gutaussehenden Jungen bloßgestellt hat.
    »Was hast du angestellt? Warum wandeln sie dich um?«, fragt Risa.
    »Es ist nicht, was ich getan habe, sondern was ich nicht getan habe.«
    »Und was hast du nicht getan?«
    »Alles«, antwortet Samson.
    Risa versteht was er meint. Nichtstun ist ein schneller Weg zur Umwandlung.
    »Aus mir wäre ohnehin nicht viel geworden«, sagt Samson, »jetzt habe ich statistisch gesehen eine Chance, dass wenigstens ein Teil von mir irgendwo in der Welt große Bedeutung erlangt. Ich wäre lieber teilweise bedeutend als vollkommen nutzlos.«
    Dass seine verdrehte Logik fast Sinn ergibt, macht Risa noch wütender. »Na dann viel Spaß im Ernte-Camp.« Damit steht sie auf und sucht sich einen anderen Platz.
    »Bitte setzt euch!«, ruft die Begleitperson von vorne im Bus, aber niemand hört auf sie. Die Kids laufen alle hin und her, um bekannte Gesichter zu finden oder ihnen aus dem Weg zu gehen. Risa sucht sich einen Fensterplatz, den sie für sich alleine hat.
    Die Busfahrt ist nur die erste Etappe ihrer Reise. Man hat ihr und all den anderen erklärt, sie würden zunächst zu einem zentralen Sammelplatz gebracht. Dort würden sie mit Mädchen und Jungs aus vielen Dutzend anderen staatlichen Waisenhäusern auf verschiedene Busse verteilt, die sie zu ihren Zielorten bringen würden. In Risas nächstem Bus würden lauter Samsons sitzen. Klasse. Sie hat kurz überlegt, sich in einen anderen
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