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Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)

Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)

Titel: Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)
Autoren: Frau Freitag
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Melissa kamen schlecht gelaunt rein. Bei der Zeugnisübergabe eskalierte die ganze Situation so dermaßen, dass ich ihnen die Zeugnisse vor die Füße warf und den Raum verließ. Aber wie Fräulein Krise immer sagt: »Wer rausgeht, der muss auch wieder reinkommen.«
    Irgendwie habe ich ihnen dann doch noch ihre Zeugnisse ausgeteilt. Eine Schülerin, die immer sehr nett war, übergab mir eine Rose. Damit bin ich dann ins Lehrerzimmer, zu den reich beschenkten, reichlich beschwipsten, glücklichen Kollegen. Mittendrin ich mit meiner öddeligen Tankstellenrose. Als mich der Erste ansprach, habe ich geheult und geheult und geheult. Heute kommt es mir vor, als hätte ich damals nie mehr aufgehört zu heulen.
    Nackenklatscher
    Meine liebe Klasse. Meine Klasse ist zur Abwechslung zum größten Teil anwesend und wirklich lieb. Nachdem ich eine unsäglich schlimme Englischstunde in der Siebten überlebt habe, ist das Zusammensein mit meinen Schülern echt angenehm. In meiner Klasse gibt es keine Nackenklatscher mehr. Irgendwo und irgendwann fand in den letzten vier Jahren doch Reifung statt. Ich kann in meiner Klasse schon vor der Stunde sicher sagen, dass niemand weinen wird. Niemand meiner Klasse verletzt sich im Unterricht – abgesehen vielleicht von Ronnie, der regelmäßig beim Kippeln vom Stuhl fällt. Irgendwann knallt er noch mal mit dem Kopf gegen die Tischkante. Ich kann auch mal rausgehen und ein Plakat holen. Wenn ich wiederkomme, sieht der Raum genauso aus wie vorher, und alle atmen noch. In der Siebten dagegen geht der Punk ab, wenn ich mal kurz an der Tür stehe und die Schüler nicht im Blick habe.
    Vor dem Unterricht in meiner Klasse gab es eine Siebteklasseaktion, wie sie im Buche steht. Gülistan steht auf (unerlaubt – »Ich musste was wegschmeißen«), geht zum Mülleimer und stolziert zurück an ihren Platz. Im Vorbeigehen gibt sie Daniel lässig einen Nackenklatscher. Daniel, einer der beiden Jungs in der Klasse, die nicht muslimisch sind, ist der einzige Junge, an den sich Gülistan rantraut. Er ist noch relativ klein, und man kann davon ausgehen, dass er keine Wagenladung Kusengs aktivieren kann, die ihn nach der Schule rächen. Gülistan also – latsch, latsch und dann klatsch. Daniel erschreckt sich natürlich voll, dreht sich um und schreit »SCHLAMPE!«. Nicht besonders originell, aber was Besseres fiel ihm wahrscheinlich so schnell nicht ein. Und diese Beleidigung verfehlt ihre Wirkung natürlich nicht. Gülistan ist empört, versteht die Welt nicht mehr. »Der hat Schlampe gesagt!«
    Nun fühlt sich Tarkan, der hinter Daniel sitzt, dazu aufgefordert, die beschädigte Ehre von Gülistan zu retten, indem er Daniel von hinten einen weiteren fetten Nackenklatscher gibt. Es scheppert richtig. Daniel erschreckt sich total und fängt herzzerreißend an zu weinen. Ich gehe mit ihm raus und lasse ihn von einem Kollegen ins Sekretariat bringen. Dann nehme ich mir Gülistan und Tarkan vor.
    Gülistan: »Er hat Schlampe gesagt!«
    »Aber du hast ihn geschlagen.«
    »War doch nur Spaß.«
    »Vielleicht hat er ja auch Schlampe nur aus Spaß gesagt.«
    Endlose Diskussion. Pädagogisches Gewäsch von mir und wenig, zumindest aber geheuchelte Einsicht von Gülistan und Tarkan. Spaß … Wie ich diese Art von Spaß hasse. Gülistan hat es bestimmt Spaß gemacht, Daniel zu hauen. Aber ob er so viel Spaß daran hatte? Der arme Kerl sitzt einfach nur da, versucht, meine wenig durchdachte Aufgabe zu bearbeiten, und völlig grundlos fängt er sich zwei Nackenklatscher und die gesamte Empörung der Klasse ein.
    Aber wenn ich so zurückdenke, dann muss ich sagen, dass meine Klasse in der Siebten genauso war. Was hatten wir für Täler der Tränen … Dramen über Dramen. Jeder Vorfall – zumindest jeder, den ich mitbekam – wurde von mir bearbeitet, und irgendwie scheint sich dann über die Jahre tatsächlich etwas getan zu haben. Vielleicht liegt das auch nur an der normalen Entwicklung der Schüler. Vielleicht wächst man einfach von selbst aus der Nackenklatscherphase raus. Aber vielleicht hat auch unsere pädagogische Arbeit, wenigstens in diesem Bereich, zarte Früchte getragen. Vielleicht.
    Dürfen wir Sie schminken?
    Kurz vor den Ferien sind die Nachprüfungen für den Realschulabschluss. Wer eine Fünf geschrieben hat, muss in dem jeweiligen Fach noch in die mündliche Prüfung. Faulheit muss ja bestraft werden. Vier meiner Mädchen mussten antreten. Auf Facebook erfahre ich am Nachmittag, dass alle
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