Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Voll daneben

Voll daneben

Titel: Voll daneben
Autoren: K. L. Going
Vom Netzwerk:
antworten.
    »Wie viel hast du auf der Party getrunken?«, will sie stattdessen wissen.
    »Ein paar Bier.«
    »Das ist wohl leicht untertrieben«, schnaubt sie verächtlich. »Irgendwelche Drogen?«
    »Aber Ma! Nein .«
    Mom nickt, denn tief in ihrem Inneren weiß sie genau, dass ich nie Drogen nehmen würde. Auf eine gewisse, seltsame Weise vertraut sie mir.
    »Und das Mädchen?«
    »Delia? Was ist mit ihr?«
    »Magst du dieses Mädchen überhaupt?«
    Mir fällt wieder ein, dass ich Delia fast schon gehasst habe, während sie mich auszog, aber das würde in diesem Zusammenhang wohl nicht gut ankommen. Deswegen zucke ich nur die Achseln, und Mom schüttelt den Kopf.
    »Du bist so ein Nichtsnutz«, sagt sie und ist für einen Moment richtig wütend, aber dann werden ihre Züge wieder weich. Mom hat die Art von Gesicht, die man einfach ansehen muss. Wenn sie lächelt, fängt das Lächeln in ihren Augen an, breitet sich dann über ihr Gesicht aus und bringt den ganzen Raum zum Strahlen. Das ist auch einer der Gründe, warum sie ein Supermodel war. Bei ihr haben die Leute nicht nur hingesehen – sie konnten gar nicht mehr wegsehen.
    Ich wünschte, sie würde jetzt lächeln, aber das tut sie natürlich nicht.
    »Diesmal meint dein Vater es ernst, Li. Er will, dass du gehst. Ich werde nicht lügen und behaupten, ich hätte dich verteidigt«, fügt Mom hinzu. »Dein Vater will, dass du bis Ende der Woche ausziehst. Er hat schon deine Großeltern angerufen und alles arrangiert.«
    Zum ersten Mal setze ich mich gerade hin.
    »Mom, das kann er nicht tun! Gram und Gramps können mich nicht ausstehen . Das weißt du doch. Außerdem bin ich sein Sohn . Und werde dieses Jahr mit der Schule fertig. Gibt es denn gar nichts –«
    Sie hält die Hand hoch.
    »Was deine Großeltern betrifft, hast du recht«, sagt sie. »Mich können sie auch nicht ausstehen, wenn dir das hilft. Zu denen kommst du nur über meine Leiche.«
    »Aber trotzdem hältst du Dad nicht davon ab, mich rauszuschmeißen? Wo soll ich denn hin?«
    Sie atmet hörbar aus, und ich merke, dass sie müde ist, aber Mom ist sowieso immer müde.
    »Ich habe den ganzen Vormittag herumtelefoniert«, sagt sie. »Und ich habe einen anderen Platz für dich gefunden. Es brauchte zwar etwas Überredungskunst, aber dein Onkel Peter wird dich für eine Weile aufnehmen. Aber sag deinem Vater bloß nicht, dass es meine Idee war. Und bringe es ihm vorsichtig bei, denn er wird darüber nicht besonders glücklich sein.«
    Sie steht auf, als hätte sie nicht gerade mein ganzes Leben umgekrempelt.
    »Mom ...« , fange ich an, aber es gibt zu viel, was ich sagen müsste.
    »Onkel Peters Telefonnummer liegt unten auf dem Couchtisch. Ich hab ihm gesagt, sobald du dich wieder besser fühlst, wirst du ihn anrufen, um die Einzelheiten mit ihm zu besprechen.« Sie hält inne. »Er freut sich riesig.«
    Sie lächelt leicht über ihre eigene Ironie, und wie sie da steht, wirkt sie so traurig, dass ich sie am liebsten schütteln würde. Ich erinnere mich noch daran, wie sie auf dem Laufsteg aussah, an ihre perfekte Selbstkontrolle und die gerade, vornehme Haltung.
    »Ma, bitte ! Können wir nicht noch mal darüber reden, bevor –«
    »Nein«, sagt Mom. »Dein Vater möchte jetzt frühstücken. Komm nicht runter.«
    Dann geht sie zur Tür hinaus und ist verschwunden.

4
    ICH BIN SIEBEN und auf der Abschiedsfeier meiner Mutter.
    Ich kauere in einem der riesigen Ledersessel, die in unserem neuen Haus im Wohnzimmer stehen. Ich vermisse Paris. Mom auch. Sie sitzt im Sessel neben mir und starrt aus dem Fenster. Draußen grillt Dad, während Gram und Gramps uns gegenüber auf dem Sofa sitzen. Im Garten sind lauter Leute   – Nachbarn und Freunde von Dad, die er eingeladen hat   –, aber hier drin ist es bedrückend still. Schließlich räuspert sich Gram.
    »Wirklich, Sarah, deine Entscheidung, aus dem Modelgeschäft auszusteigen, war richtig«, sagt sie und schenkt meiner Mutter einen dieser für sie typischen halb mitleidigen und halb verächtlichen Blicke. »Ganz ehrlich: Ich weiß gar nicht, wie du so lange einen so ... stressigen ... Lebensstil aushalten konntest. Vor allem, da dein Sohn dich so offensichtlich zu Hause braucht. Wir haben uns solche Sorgen um Liam gemacht.«
    Mom wendet den Blick vom Fenster ab.
    »Ich denke, Liam geht es bestens«, sagt sie.
    »Na, Ungehorsam und schlechte Manieren würde ich nicht gerade ›bestens‹ nennen«, sagt Gramps lachend. »Was meinst du, junger
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher