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Volkssagen, Maerchen Und Legenden

Titel: Volkssagen, Maerchen Und Legenden
Autoren: Johann Gustav Buesching
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ich sie in meiner Gesellschaft.
    Dies gesprochen, ging einer auf den andern mit eingelegter Lanze erbittert los und als diese zersplittert, zogen sie die Schwerdter und übten mannlich die Kräfte. Und weil der Alemanne, von der Gegenseite kommend, Helgunden im Auge hatte, ward er so durch ihren Anblick ermuthigt, daß er den Walther zum Weichen nöthigte, bis dieser, zurückschreitend, auch die Helgunda erblickte. Kaum erblickte er sie, als er von Scham und großer Liebe zu ihr ergriffen, mit gesammelten Kräften auf den Alemannen stark eindrang und ihn sogleich tödtete. Pferd und Waffen desselben nahm er, setzte seine Reise fort und kam mit doppeltem Triumpf gekrönt bei seiner Helgunda wieder an. Auf seine Burg Tyniez gelangt, nach glücklich vollbrachtem Abentheuer, ergab er sich einige Zeit lang der Ruhe, um sich zu erhohlen. Da erfuhr er aus den Klagen der Seinen, daß Wislaw der Schöne, Herrscher von Wislicz, in seiner Abwesenheit seine Leute beleidigt habe. Dies drückte schwer sein Gemüth, er suchte Ursachen, um sich an Wislaw zu rächen; endlich griff er ihn an, besiegte ihn und legte den Besiegten, wie oben gesagt worden ist, in einen tiefen Thurm des Schlosses Tyniez, um ihn als Gefangenen zu bewahren.
    Einige Zeit darauf aber, um kriegerische Abentheuer zu suchen und nach ritterlicher Sitte zu leben, durchirrte er entfernte Gegenden. Und als so das Jahr schon zweimal seinen Kreislauf vollendet hatte, ward Helgunda über die Abwesenheit ihres Gemahls nicht gering mißmüthig und dahin gebracht, einer ihrer vertrauten Kammerjungfrauen mit niedergeschlagenen Augen zu sagen: »ich bin nicht Wittwe und nicht verheirathet;« und dabei dachte sie an diejenigen, welche mit tapfern und streitbaren Männern ehelich verbunden sind.
    Die Vertraute, welcher der traurige und verlassene Zustand ihrer Herrin zu Herzen ging, enthüllte ihr, indem sie sich aller weiblichen Schamhaftigkeit entäußerte, daß Fürst Wislaw, von schöner Gestalt und Adel des Körpers, so wie von lieblichem Anblick, in dem Thurme gefangen liege und die Unglückliche rieth, daß sie beföhle, ihn in stiller Nacht aus dem Thurme zu ziehen und, wenn sie sich lieblicher Umarmungen erfreut hätte, ihn sicher wieder in den untersten Theil des Thurmes zu bringen.
    Jene war den Reden der Vertrauten günstig geneigt, und obgleich von ängstlicher Furcht beklemmt, fürchtete sie sich doch nicht, Leben und Ruf der Ehre preiß zu geben, befahl, den Wislaw aus dem Innern des Kerkers herbei zu führen, und durch seinen Anblick und den Adel seines Aeußern, welche sie bewunderte, ward sie erfreut. Nun wollte sie ihn nicht mehr in den Kerker werfen lassen, sondern vielmehr, mit ihm durch die innigsten Fesseln verknüpft und durch unauflöslicher Liebe Banden verkettet, floh sie nach Wislicz, das Ehebette ihres Mannes verlassend. So kehrte Wislaw in sein Eigenthum zurück, indem er glaubte, einen doppelten Triumpf errungen zu haben, der aber in dem wankelmüthigen Ausgange, durch den Tod beider, sich endete.
    Denn kurze Zeit hernach, als Walther zu seiner Heimath zurückkehrte, fragte er seine Lehnsleute: warum ihm nicht Helgunda, bei seiner erfreulichen Ankunft, bis vor die Thore des Schlosses entgegen käme? Ihm erwiederten die Lehnsmannen, wie Wislaw aus der Wacht des tiefsten Thurmes, durch Hülfe der Helgunda, sei befreit worden und sie mit sich hinweggeführt habe. Sogleich, von mächtiger Wuth erfüllt, eilte Walther gegen Wislicz, nicht fürchtend, sich und das Seine ungewissen Erfolgen auszusetzen. Unvermuthet kam er in der Stadt Wislicz an, als Wislaw außerhalb der Stadt mit Jagen sich beschäftigte.
    Kaum erblickte ihn Helgunda in der Stadt, so eilte sie sogleich zu ihm, fiel auf ihre Knie nieder und beklagte sich heftig über Wislaw, der sie mit Gewalt geraubt habe, den Walther beredend, daß er mit ihr in die innern Gemächer des Hauses käme, versprechend, ihm den Wislaw auf seinen Wink sogleich in seine Gewalt zu geben. Dieser glaubte den verführerischen Ueberredungen der Täuscherin, ging mit ihr in die feste Wohnung, wo sie ihn dem Wislaw als einen Gefangenen vorführte. Wislaw und Helgunda freueten sich höchlich über den glücklichen Erfolg, nicht daran denkend, daß einer so großen Freude oft ein tödliches Leid folgt.
    Er wollte den Walther nicht in gewöhnlicher Kerkerhaft behalten, sondern wollte ihn mit mehr, als mit den Schauern eines Verließes quälen. Er ließ ihn nehmlich an die Wand des Speisesaals mit ausgespannten Armen,
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