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Volkssagen, Maerchen Und Legenden

Titel: Volkssagen, Maerchen Und Legenden
Autoren: Johann Gustav Buesching
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ganzen geistigen Streben angemessen und noch jetzt fast gar nicht betreten sei. Die Volkssagen, nacherzählt von Otmar (Nachtigall), zeigten mir den Weg, den ich einzuschlagen hätte, wenn ich, meinem ganzen Triebe folgend, einen zweckmäßigen Gebrauch von meiner kommenden Sammlung in der Folge machen wollte. Ein inneres Drängen und Treiben zu literarischen Forschungen, selbst bei so leicht beweglichen Dingen, wie die Lieder, Sagen und Mährchen des Volks, kann ich nicht abläugnen; denn ich habe es, durch mehrere Arbeiten, zu sehr bekundet. Man hat es manchmal getadelt und ein mit mir gleich gesinnter Freund theilt mit mir gleiche Rüge.
    Ein weites Feld hierzu boten mir die Sagen, Mährchen und Legenden in ihren verschiedenen Verzweigungen, in ihren Abweichungen und in ihren gegenseitigen Verbindungen anderer Seits. Manches schien mir hierbei unumgänglich nöthig zu erinnern, besonders, da so viel Historisches durch sie alle geht. Wahre Historiker, ich nenne nur das Haupt aller, unsern Johannes von Müller, haben uns gelehrt, daß man die Sage nicht als ein nichtiges Fabelwesen niedertreten und verwerfen müsse, sondern daß auch sie, klug benutzt, in die Geschichte einzutreten vermöge und so sollte wohl der Blick aller mehr auf diese Sagengebilde geschärft werden.
    Ein jedes Land hat seine Sagen und Mährchen. Erstere schließen sich an die Geschichte an, sind oft selbst an Orte des Landes geknüpft und mit ihnen, durch den Mund des Volks, selbst bei der Ruine, noch unwandelbar verbunden. Eigene, wahrhafte Mährchen führen diese zweifelhaften Gebilde ganz in das heitere Reich der Dichtkunst und die Legenden, Sagen, Mährchen und Religion so wundersam oft verschlingend, will nothwendig mitgenommen sein, wenn eines oder das andere ganz verstanden werden soll. So wurden auch diese drei von mir verbunden, nach den Völkern, so viel es ging, geordnet, und ihnen im Innern wieder eine chronologische Stellung gegeben, da oft, nicht gering gewichtig, der ganze hohe und gefallene Sinn des Volkes sich in den frühsten und späteren Mährchen, wie in den Liedern, ausspricht.
    Einige Sagen und Mährchen schwebten frei, sie gehörten keinem Volke und möchten dann wohl meistentheils großes Gemeingut des mächtigen Mittelalters sein. Andere wiederhohlen sich unter mehrern Volksstämmen mehrfach und sollen bald hier, bald dort geschehen sein. Gewöhnlich liegt ihnen eine religiöse oder moralische Tendenz zum Grunde und jedem Hörer waren sie daher gerecht, sie in seine Nähe zu verlegen und dadurch eindringlicher zu machen; denn ein nahes Unglück oder ein Gräuel im benachbarten Orte erschreckt die Gemüther immer mehr, als eines im ferneren Lande.
    Wie die Chronik, wie dies und jenes Buch, wie der Mund des Volks, oder der Freunde, wie die eigene Erinnerung mir die Sage und das Mährchen einfach gab, so stellte ich sie auch hin. Gerne vermied ich die reiche Gelegenheit bogenlanger Anmerkungen, mich nur kurz begnügend den historischen Zusammenhang, die literarischen Nachweisungen, Abweichungen, Uebereinstimmungen verschiedener Stämme oder auch Uebereinstimmung mit fremden Sagen anzugeben, da sich so vieles von selbst giebt und fügt, manches aber auch durchaus überflüssig gewesen sein würde, vielleicht schon jetzt ist.
    So hat denn ein neues Mährchenreich in meiner Phantasie ein lustiges Lager aufgeschlagen. Die Lieder, Gesänge und Sagen der Altvordern haben es gegründet und im bunten Kreise bewegt sich jene Welt des Mittelalters vor mir. Schon einigemale wagte ich es, diese Welt auch anderen zu eröffnen; Freunde erfreuten mich durch Beifall, halbe Freunde betrachteten vornehm und mit einer gewissen Wichtigkeit, immer sich meinem Standpunkte entgegen, niemals in ihn, stellend, meine Erzeugnisse und beurtheilten so halb, daß mir die dritte Klasse derjenigen, die ihr Verdammungsurtheil rein aussprach, bei weitem lieber war. Sie haben doch eine Ansicht, und geben sie, wie sie dieselbe haben.
    In neuem Felde trete ich diesen Dreien entgegen, sie freundlich begrüßend und bittend, wenn ihnen diese Sagen und Mährchen, die schon mannichfach einst durch ihre Jugend gingen, gefallen, auch auf den Sammler einen heitern Blick zu werfen und ihn vor allem zu neuem Hervortreten durch Stoff zu erfreuen, ihm die Mährchen ihrer Umgebungen zu senden, die immer mehr und mehr jetzt in dem Strudel der Zeit verschwinden. Auch mögen sie mit nicht gar zu bösen Blicken dieses Vorwort betrachten, das eben so anspruchslos, wie die
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