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Volkssagen, Maerchen Und Legenden

Titel: Volkssagen, Maerchen Und Legenden
Autoren: Johann Gustav Buesching
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immer als eine Welt außer mir, die ich nicht festzustellen im Stande war. Desto lieber ward mir aber die Idee selbst, klein zu seyn, und es setzte sich eine Lust an kleinen Personen fest, welche wohl einen tiefen Eindruck in meine Phantasie gemacht haben muß, denn noch jetzt würde man mir eine sehr große und bedeutende Vorliebe für kleine, zierlich und lieblich gebaute Personen mit vieler Deutlichkeit nachweisen können. Vor allem bemühte ich mich, so klein mich zu machen, daß ich Dinge unternehmen möchte, die mein kleines Volk leicht thun könnte. So kugelte ich mich in einen Korb zusammen, in dem die nächtliche Wäsche des Abends ins Zimmer gebracht ward. Mein doch zu großer Körper drohte ihn zu zersprengen, er knackte und knarrte verrätherisch laut und die haushälterische Mutter vertrieb mich mit einigen Drohworten aus dem gewünschten Häuslein, wohin ich nur sehr verstohlen zurückkehren durfte und in kurzem ganz vergebens. Dann lag ich auch gerne hinter Mutter und Großmutter in der Ecke des Sophas, dicht wie ein Knäul gedrängt und ließ mich von der Bewegung, die das Spinnen dem Sopha mittheilte, schaukeln; denn damals gab es noch Deutsche Frauen, die spannen, und der Spinnrocken ist ja der eigentliche Signalstern der Mährchenwelt.
    Der Tod meines Vaters brachte mir ein anderes Sein. Zwar blieb ich in meiner Vaterstadt, aber meine Mutter bezog eine weit entfernte Gegend der Stadt, meine Freunde und Gespielen blieben zurück, nur mein liebes stilles Volk begleitete mich und ward desto inniger von mir umfangen. Je mehr ich heranwuchs, je mehr Wahrheit bekamen die Gestalten und wurden äußerlich; ich fing immer mehr an zu glauben: es gäbe wirklich so ein Volk. Gulliver's Reisen fielen mir in die Hände, ich las einiges darin, das Zwergenvolk, wie es mir meine Phantasie gab, war darin beschrieben, es waltete kein Zweifel mehr ob, es gab solche Männlein und nun fehlte nur die Kunst, – sie zu entdecken.
    Daß mein Völkchen Häuser baute, Geräthschaften und Thiere hatte, so zierlich und nett und klein wie sie selbst, das war keiner Frage unterworfen. Besonders dachte ich sie mir gar stattlich und freudig auf ihren kleinen Rossen und noch kann ich aus Göthe's Romanze die Verse nicht hören:
     
    Es kommen drei Reiter, sie reiten hervor,
    Die unter dem Bette gehalten,
     
    ohne daß auch meine ganze Jugendreiterschaar wieder beweglich wird und sich im Galopp daran schließt, in zierlichen Kreisen die Pferdlein taumelnd. Daß sie im freien Felde nahe an der Straße wohnen würden, glaubte ich nicht; ein Wald mußte sie beherbergen. Sparsam die umliegende Gegend besuchend, gemeinhin, wenn wenig andere dort waren, erhielt selbst die Umgebung von Berlin mir ein fremdartiges, einsameres Ansehen, das ich durch Bilder dichter, schauerlicher, alter Wälder, von denen ich las und hörte, vergrößerte.
    Gar furchtsamlich erschien mir daher ein sehr lichtes Gehölz, das der Gegend, wo ich jetzt wohnte, nahe lag und das ich manchmal vom Thore aus sah. Bald glaubte ich, dort wohne mein kleines Volk, und wünschte nun nichts sehnlichers, als einmal hinausgehen und suchen zu können. Ich dachte es mir gar zu süß, wenn ich mir so ein paar kleine Freunde mitnehmen könnte, die dann in meinem Zimmer wohnen sollten und mich durch ihre artigen Geberden und Sprache, denn Deutsch sprachen sie wie ich, zu erfreuen sich bemühten. Endlich kam ich einmal hinaus. Ich suchte und suchte verstohlen, so viel ich konnte, und fand, wie natürlich, nichts. Aber eine düsterere Spitze des Gebüsches, wohin ich nicht kam, zog mich an sich und schien mir Gewährung zuzuwinken. Späterhin kam ich auch dorthin, wieder nichts. Nun glaubte ich sie mir nicht mehr so nahe, ich setzte sie ferner; der mir ganz unbekannte Grunewald trat an die Stelle der nur zu bekannt gewordenen Hasenheide und mein Glaube war nicht gestört, nur stand alles weiter vor mir und ich verzweifelte für jetzt, die niedlichen Männlein zu sehen, zu sprechen, mich ihrer Gesellschaft zu erfreuen.
    Weit in mein Knabenalter nahm ich diese Phantasien mit hinein und nur langsam verflogen sie bei andern Geschäften. Schon beinahe in das Jünglingsalter getreten, nahm mein Geist eine ganz eigene Richtung und die alten Bilder traten wieder hervor. Die Liebe zum Mittelalter, zur Deutschen Vorzeit, erwachte, auf der Schule noch, in mir, auf eine eigene Art, deren Erzählung, so wie ihre Ausbildung, nicht hierher gehört. Im Widerstreit, der sogar zuletzt offenbar ward,
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