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Volkssagen, Maerchen Und Legenden

Titel: Volkssagen, Maerchen Und Legenden
Autoren: Johann Gustav Buesching
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aufgerichteten Halse und Füßen, durch eiserne Klammern aufrecht anschmieden. Dorthin ließ er ein Ruhebettlein bringen, worauf er im Sommer mit der Helgunda in zärtlichen Spielen mittäglich zubrachte.
    Wislaw hatte eine leibliche Schwester, welche, wegen besonderer Häßlichkeit, niemand zum Weibe begehrte, deren Bewachung Wislaw, vor andern Hütern, den Walther anvertraute. Ihr gingen die Leiden Walthers sehr zu Herzen und sie fragte ihn, gänzlich jungfräuliche Sittsamkeit verläugnend: »ob er sie wohl zum Weibe nehmen wolle?« dann wolle sie seinen Leiden Erleichterung verschaffen und ihn von seinen Ketten befreien. Er versprach ihr und bekräftigte mit einem Eid, daß er sie mit ehelicher Liebe, so lange sie lebten, behandeln wolle und mit seinem Schwerdte gegen ihren Bruder Wislaw, das begehrte sie, nie kämpfen wolle. Er bat sie darauf, daß sie sein Schwerdt aus dem Bette ihres Bruders nehmen und ihm bringen möchte, auf daß er mit demselben seine Fesseln lösen könne. Sie brachte ihm sofort das Schwerdt und durchhieb, wie ihr Walther befahl, ein jedes Band der eisernen Schienen und Ketten, und verbarg hierauf zwischen dem Rücken Walthers und der Wand das Schwerdt, daß er zu seiner gelegen ergriffenen Zeit sicher davon gehen könne.
    Jener wartete bis auf die Nachmittagsstunde des folgenden Tages, da Wislaw mit der Helgunda wieder auf dem Ruhebette, sich umarmend, waren. Da redete sie Walther, gegen seine Gewohnheit, an und sagte: »wie würde euch sein, wenn ich, befreit von den Fesseln, mein gezogenes Schwerdt in den Händen, vor eurem Ruhebette stände, und drohte für eure Schandthaten Rache zu nehmen?« Bei diesen Worten klopfte das Herz der Helgunda und zitternd sagte sie zu Wislaw: »wehe! Herr, sein Schwerdt fand ich heute nicht in unserem Bette und über dein Kosen habe ich vergessen, es dir zu entdecken.« Wislaw entgegnete ihr: wenn er auch zehn Schwerdter hätte, könne er ihnen nichts thun, wegen der Eisengebände, die er nur durch Kunst eines Schmides zu lösen vermöchte.
    Als jene so unter sich schwatzten, sprang Walther frei von den Ketten, und sie sahen ihn mit geschwungenem Schwerdte vor dem Bette stehen, und nachdem er sie geschmäht hatte, hob er die Hand mit dem Schwerdte und ließ es auf beide herabstürzen. Fallend hieb es beide mitten von einander. So schloß sich beider verächtliches Leben durch ein unseliges Ende. Noch zeigt man das Grab der Helgunda im Schlosse zu Wislicz allen denen, die es zu sehen wünschen, in Stein gehauen, bis auf den heutigen Tag. (d.h. um 1253.)
     
2. Die heidnische Jungfrau im Schlosse zu Glatz.
     
    Als die Grafschaft Glatz noch heidnisch war, lebte auf dem Schlosse zu Glatz eine Jungfrau, deren Namen uns die Sage nicht aufbewahrt hat, Heidin und versenkt in die größten Ueppigkeiten und Wollüste, dabei eine mächtige Zauberin. Bei ihr lebte ihr Bruder, den sie, wie die Sage geht, sich selbst als Gemahlin verbunden habe.
    Mit wunderbarer Stärke begabt, vermochte sie mit ihrem Bogen vom Schlosse zu Glatz bis zu der großen Linde bei Eisersdorf, an der Gränze, zu schießen. Einst wettete sie mit ihrem Bruder, wer mit dem Bogen am weitesten schießen würde, und der Pfeil ihres Bruders erreichte kaum den halben Weg, sie aber reichte mit ihrem Pfeile aus dem Schlosse fast noch einmal so weit, bis zu dem gedachten Baume, der großen Linde bei Eisersdorf, und gewann so die Wette. Zum Zeichen soll man zwei spitze Steine errichtet haben, die man noch vor weniger Zeit gesehen. Außerdem zauberte sie auch und zerriß oft, zur Kurzweile, mit ihren Händen ein starkes Hufeisen; und weil sie eine Zauberin gewesen, ist es gekommen, daß, ob man ihr gleich zum besten nachgetrachtet, man sie dennoch eine Zeitlang nicht hat fangen können; denn durch ihre Zauberkünste ist sie immer wieder entronnen. Doch als man sie zuletzt erhascht, hat man sie in einem großen Saal, welcher sein soll beim Thore, dadurch man aus dem Niederschloß ins Oberschloß gehen kann, fest vermauert und darin umkommen lassen. Zu ewig währendem Gedächtniß ihres Todes und des Orts, allda sie elendiglich umgekommen ist, hat man an der Mauer über dem tiefen Graben, wenn man hinauf geht, zur linken Hand desselben Thores, bei welchem sich das Ober- und Niederschloß unterscheiden, ihr Bildniß, in einem Stein ausgehauen, eingemauert. Diesen ausgehauenen und eingemauerten Stein zeigt man noch bis auf diesen Tag allen fremden Leuten, welche gen Glatz kommen und das Schloß
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