Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Vogelfaenger

Titel: Vogelfaenger
Autoren: Kristina Dunker
Vom Netzwerk:
gerade renoviert. Wenn Sie so aufpassen würden wie ich, hätten Sie’s gemerkt. Übrigens …«, wiederholt er mit Nachdruck und zeigt auf ein Schild, das auf der Theke aufgestellt ist:
Vorsicht, frisch gestrichen!
    Herr Bärlauch springt entsetzt einen Schritt zurück. »Jetzt bin ich auch schon voller Farbe! Und gleich hab ich noch einen Termin, Sie hätten mich warnen können!«
    »Sie haben mich ja nicht zu Wort kommen lassen.«
    Das sitzt. Ich lache begeistert. Nicht, dass ich’s Idas Vater gönnen würde, aber er war während der Fahrt so fies zu Ida und kleine Schadenfreuden versüßen einfach den Tag. »Herr Bärlauch, Sie können ja sagen, es wäre Bärlauchsoße!«
    »Das ist überhaupt nicht lustig, Nele. Ich sollte mich bei Herrn Rotter beschweren.« Er brummt böse vor sich hin: »… Armleuchter verklagen, mussmir den Anzug ersetzen …«, geht zum Auto und hievt unsere Taschen aus dem Kofferraum.
    »Macht der Ernst?«, fragt der Junge erschrocken und kommt hastig aus dem Häuschen heraus. Jetzt sieht man, dass auch sein lila T-Shirt und die abgeschnittene Jeans farbverkleckst sind.
    »Wahrscheinlich nicht«, antwortet Ida gelangweilt, ein bisschen kühl, ein bisschen abfällig. Der Junge scheint ihren spöttischen Blick nicht zu bemerken.
    »Da bin ich aber froh. Puh! Also, wenn ihr wollt, helfe ich euch, die Taschen zu tragen und das Zelt aufzubauen. Ich bin Jan.« Er gibt uns die Hand. Ich schüttele sie kräftig, Ida nur so, dass sie sich nicht schmutzig macht. »Ich passe auch auf, dass hier nichts passiert.« Er fuchtelt mit den Armen. »Also, falls ihr nachts Angst habt, oder so …«
    »Haben wir nicht«, sage ich prompt.
    »Umso besser.« Er grinst mich an.
    Ich grinse ebenfalls und schlendere mit meiner Freundin zum Auto. »Der ist nett, ne?«, flüstere ich ihr zu.
    »Na ja. Bisschen schmuddelig. Da halte ich’s ausnahmsweise mit meinem Vater. Der passt nicht zu uns.«
    »Du Snob!«
    »Nöö«, sagt Ida verlegen, »der ist nur einfach nicht mein Fall.«
    »Ach, für mich gibt’s eh nur Tobias«, sage ich.
    »Oh, Nele, vergiss den endlich!«
    »War ’n Witz!«
    »Na hoffentlich.«
    »So.« Ihr Vater lächelt uns gestresst an, lädt die letzte Tasche, die mit dem Alkohol, aus dem Kofferraum, verzichtet aber glücklicherweise darauf, einen Blick hineinzuwerfen. Ich will nicht wissen, was er dazu sagen würde. »Wenn irgendwas ist: Ein Anruf genügt und ich hole euch sofort ab.«
    In dem Moment kommen zwei durchtrainierte Jungs auf Rennrädern angefahren, was meine Aufmerksamkeit sofort von Herrn Bärlauch abzieht. Die zwei grüßen, steigen bei Jan ab, klopfen ihm kumpelhaft auf die Schulter, loben seine Malerarbeiten und drehen sich dann so, dass sie Blickkontakt mit uns haben.
    »Äh, Nele? Tschüss!«
    »Ja, natürlich, tschüss! Sie sind der Beste, Herr Bärlauch. Vielen Dank.«
    »Passt auf euch auf und macht keine Dummheiten! Ida, iss anständig. Und, Nele, du … wie soll ich sagen …«
    »Ich werd den verschlafenen Campingplatz hier richtig aufmischen, Herr Bärlauch. Man wird noch in zehn Jahren von uns reden. Man wird nie wieder allein reisende Mädchen aufnehmen. Man wird …«
    »Ist gut, ist gut.« Er winkt ab, flüchtet förmlich ins Auto, wobei er fast noch über Rocky fällt. »Tschüss!«
    »Jetzt beginnt unser Urlaub!«, rufe ich, übermütig, frei, glücklich; ich strecke die Arme in die Luft und hüpfe auf der Stelle. Rocky springt kläffendum mich herum und die Jungs an der Rezeption machen große Augen.
    »Die wissen jetzt genau, dass du keinen BH anhast«, sagt Ida trocken.
    »Stimmt.« Ich stoppe das Hopsen abrupt. »Die, die ich mitnehmen wollte, hatte ich schon in die Taschen gepackt und keine Lust, sie rauszusuchen, und die, die ich nicht mitnehmen wollte, steckten im stinkigen Wäschekorb.«
    »Tja, was soll man da machen.« Ida hakt sich bei mir ein und zieht mich zum Rezeptionshäuschen. Bis wir da angekommen sind, haben wir uns fast krankgelacht.

8
    Niemand rechnet mit dem Vogelfänger. Aber er ist da.
    Sein liebstes Vögelchen, sein süßes Täubchen, glaubt, es sei ihm davongeflogen, doch sie täuscht sich. Ihr größter Fehler ist, dass sie ihn unterschätzt. Er hat sie nicht vergessen und nicht verlassen und er ist der Meinung, dass ihre gemeinsame Geschichte noch nicht zu Ende ist. Daher hat er beschlossen, dieses Spiel auf seine Weise zu spielen. Das wird kein Problem für ihn sein, denn er weiß immer ein bisschen mehr als sie, ist ihr immer einen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher