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Visionen Der Nacht: Die Dunkle Gabe

Visionen Der Nacht: Die Dunkle Gabe

Titel: Visionen Der Nacht: Die Dunkle Gabe
Autoren: Lisa J. Smith
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Kaitlyn. »Wie konnte ich nur so dumm sein? Das war wahrscheinlich ihr Büro. Das waren alles Kopien, weißt du noch, Rob? Duplikate. Mr. Zetes hatte seine Sachen hier, und sie hatte ihre im Institut.«
    »Kaitlyn«, flüsterte Rob, und in seiner Stimme schwang sowohl Schmerz als auch Zärtlichkeit mit. Er musste Gabriel halten und konnte sie daher nicht berühren. »Nicht weinen. Das ist es nicht wert.«
    Kaitlyn sah ihn überrascht an und merkte erst jetzt, dass ihr Tränen übers Gesicht strömten. Sie legte eine Hand auf ihre Wange und spürte die Feuchtigkeit. Und dann schluchzte sie, weinte hemmungslos, wie sie es seit ihrem achten Lebensjahr nicht mehr getan hatte.
    Anna hielt sie fest. Lass sie in Ruhe, bat sie Rob. Sie verdient es zu weinen. Wir verdienen es alle.
    Als das Schluchzen, das Kaitlyn schüttelte, langsam nachließ, begann sie sich besser zu fühlen.

    Gabriel kam zu sich.
    »Diesmal«, erklärte ihm Rob, »hast du keine Wahl. Du bist halb tot, und wir können hier nicht bleiben. Du musst Hilfe annehmen.« Und im Stillen fügte er hinzu: Du hast mir vor nicht allzu langer Zeit das Leben gerettet. Ich kann mich jetzt revanchieren.
    Gabriel blinzelte. Er sah schrecklich aus: Das Blut und der Schmerz hatten sein schönes Gesicht entstellt. Doch es gelang ihm immerhin, einen Teil seiner alten Arroganz zusammenzukratzen. »Ich kann dich wohl nicht davon abhalten«, flüsterte er.
    Kaitlyn wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und lächelte. Das ist keine gute Idee, so zu reden, wenn die Schutzwälle nicht mehr da sind, sagte sie zu ihm. Dann fügte sie hinzu: Gefällt mir besser so. Mauern sind keine gute Sache.
    Gabriel ignorierte sie – mehr Widerstand konnte er im Moment nicht mobilisieren.
    Rob berührte Gabriel mit sanften Fingern, und die anderen spürten, wie die Kraft strömte, durch Robs Heilpunkte, durch das telepathische Netz. Kait legte eine Hand auf Robs und fügte ihre Kraft hinzu, die Rob an Gabriel weiterleitete. Lewis und Anna berührten ebenfalls Robs Hand und steuerten ihre Energie bei. Alle vier, eng miteinander verbunden, spendeten Gabriel Lebenskraft und Energie.
    Kaitlyn spürte, dass seine Angst rasch in Erstaunen
umschlug. Noch nie hatte er erlebt, dass ihm jemand freiwillig Kraft spendete, das wurde Kaitlyn jetzt klar. Sie wusste, was er fühlte, und fühlte mit ihm: die glitzernden Lichter, das reine Wasser, das erfrischende Gefühl, wenn man aus dem Halbschlaf erwacht und sich im richtigen Leben wiederfindet.
    Auch Annas und Lewis’ Überraschung und Freude waren zu spüren.
    Und ich habe nie an das Kundalini-Erwachen geglaubt, sagte Lewis. Junge, Junge, damit lag ich ja so was von daneben.
    Womit?, fragte Anna und musste innerlich lachen.
    Kundalini, die alte indische Heilkraft. Die steht mit dem Chi in Verbindung, wisst ihr. Erinnere mich daran, dass ich es euch später erzähle.
    Anna, noch immer lachend, sagte: Mach ich.
    Als sie alle so weit waren, dass sie wieder Bäume hätten ausreißen können, hob Rob die Hände.
    »Das reicht«, sagte er und fügte dann hinzu: »Wir dürfen nicht hierbleiben. Ich glaube, Anna hat recht. Joyce und Mr. Zetes sind noch am Leben. Wir müssen weg von hier.«
    »Aber wohin?«, fragte Kaitlyn. Sie war wieder fest auf den Beinen.
    Auch Gabriel war aufgestanden. »Erst mal raus aus San Francisco«, sagte er und wischte sich mit dem taunassen T-Shirt das Gesicht ab. Nur allein durch
das Aufstehen hatte er sich mental ein wenig von den anderen entfernt.
    Das war nicht anders zu erwarten, sagte sich Kaitlyn. Sei nicht enttäuscht. Er braucht seinen Freiraum.
    »Natürlich weg von San Francisco«, erwiderte sie. »Aber wohin? Nach Hause?«
    Schon als sie es aussprach, wusste sie, dass das unmöglich war. Wenn Mr. Zetes und Joyce überlebt hatten, würden sie sie verfolgen. Kaitlyn und die anderen stellten jetzt genau so eine Gefahr dar wie Marisol. Sie würden versuchen, sie … zum Schweigen zu bringen.
    Und so sehr Kaitlyn ihren Vater bewunderte, so kannte sie ihn doch gut genug. Er war liebevoll, unpraktisch und unentschlossen. Am glücklichsten war er in seiner kleinen Welt, wo er singen und seine Gelegenheitsjobs erledigen konnte. Welchen Schutz konnte er ihr bieten? Er wäre nicht einmal in der Lage, ihre Geschichte nachzuvollziehen, geschweige denn, ihr zu helfen.
    Wahrscheinlich brachte sie ihn sogar in Gefahr, wenn sie nach Hause zurückkehrte. Es wäre für Joyce und Mr. Zetes ein Kinderspiel, sie dort ausfindig zu machen. Und
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