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Visionen Der Nacht: Die Dunkle Gabe

Visionen Der Nacht: Die Dunkle Gabe

Titel: Visionen Der Nacht: Die Dunkle Gabe
Autoren: Lisa J. Smith
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dir zu sagen, dass ich dich liebe.
    Kaitlyn stieß ein keuchendes Lachen aus. Als ob das gesagt werden musste! »Geh, und hilf Gabriel«, flüsterte sie.
    »Nein, ich brauche euch beide«, sagte Joyce. »Und zwar schnell. Du kannst das Problem nicht lösen, indem du Energie kanalisierst, Rob — wir müssen ihn erst zurückholen. Ihr vier müsst mit dem Kristall in Kontakt treten.«
    Der goldene Schimmer, der Kaitlyns Welt einhüllte, war jäh verflogen. »Was?«, sagte sie und stand auf. Sie spürte, wie gut es ihr körperlich ging. Sie war stark. Zwischen ihr und Rob waren tatsächlich heilende Kräfte geflossen.
    »Ich will, dass ihr mit dem Kristall in Kontakt tretet«, wiederholte Joyce geduldig. »Und Gabriel auch …«
    »Nein!«
    »Es geht nicht anders, Kaitlyn.«

    »Sie haben doch gesehen, was er anrichtet!«
    »Diesmal wird es nur für kurze Zeit sein. Ihr müsst alle den Kristall berühren, alle, die die Verbindung eingegangen sind. Um Himmels willen, beeilt euch. Ist euch nicht klar, dass Mr. Zetes jede Minute wieder da sein kann?«
    Kaitlyn taumelte, als sie aus dem Käfig trat. Gabriel noch einmal dem Kristall auszusetzen — unmöglich. Das durfte nicht sein, es war zu grausam. Der Kristall war bösartig.
    Und doch behauptete Joyce, es sei die einzige Möglichkeit.
    Kaitlyn begegnete Joyce’ Blick. Aus ihren leuchtend blauen Augen sprach Angst, aber auch Ernsthaftigkeit.
    »Willst du ihn nicht retten, Kait?«
    Kaitlyns Hand begann zu jucken und verkrampfte sich.
    Sie musste zeichnen, aber dafür war jetzt keine Zeit. Keine Zeit. Und sie hatte nichts, mit dem sie hätte zeichnen können. In dem sterilen Laboratorium gab es weder Stift noch Papier.
    »Bitte vertraut mir. Komm, Lewis. Mach dich bereit, ihn zu berühren. Wenn ich ›jetzt‹ sage, fasst du ihn an.«
    Lewis nahm einen tiefen Atemzug und nickte dann.
    »Anna? Gut. Danke. Rob?«

    Rob sah Kaitlyn an.
    Wenn ich nur zeichnen könnte … Aber es ging nicht. Kaitlyn erwiderte Robs Blick und machte eine hilflose Bewegung, die in ein Nicken mündete.
    »Wir machen es besser«, flüsterte sie.
    Joyce schloss die Augen und seufzte erleichtert. »Gut. Stellt euch jetzt hinter Gabriel. Wenn ich sage ›jetzt‹, bringe ich den Kristall mit Gabriel in Berührung. Und jeder von euch fasst ihn an, in Ordnung?«
    Die anderen erklärten sich einverstanden. Auch Kaitlyn stellte sich auf, eine Hand ausgestreckt. Doch in ihrem Innern schwirrte es hektisch.
    Ich kann nicht zeichnen … jedenfalls nicht mit den Händen. Aber die Kräfte sind ja nicht in meinen Händen, sondern in meinem Kopf, in meinem Geist. Wenn ich dort zeichnen könnte …

KAPITEL SECHZEHN
    Noch während Kaitlyn diesen Gedanken hatte, setzte sie ihn um. Verzweifelt hielt sie sich die Ölkreiden vor Augen, ihre Lieblingsfarben. Zuerst würde ich Zitronengelb nehmen, mit einem Hauch Ocker, federleichte Striche. Dann fleischfarbene gebogene Linien und zwei kleine Tupfer in Hellblau und Veroneser Grün, die ineinander übergehen.
    Gut! Was ist das? Geh einen Schritt zurück! Geh zurück, und sieh es dir an.
    Sie ging innerlich auf Abstand, und schon ergänzten sich die Striche und Punkte zu einem Bild. Joyce. Ganz eindeutig Joyce.
    Dann Grau. Bogenförmige Striche in Grau. Was war das? Ein Glas. Mit fleischfarbenen Tönen – Joyce, mit einem Glas in der Hand.
    »Seid ihr bereit?«, fragte Joyce.
    Kaitlyn bewegte sich nicht, öffnete nicht die Augen. Sie konzentrierte sich auf den nächsten Teil des Bildes.
    Ein dunkler, olivfarbener Ton, reichlich gebrannte Umbra, vermischt mit Krapprot. Braun und Rot ergaben zusammen einen Mahagoniton.

    Marisol. Das Bild zeigte Joyce und Marisol. Und Joyce reichte Marisol ein Glas.
    »Ich nehme seinen Kopf«, sagte Joyce. »Und jetzt …«
    Kaitlyns Schrei, sowohl mental als auch akustisch, unterbrach ihre Worte. »Tut es nicht! Tut es nicht! Sie steckt mit ihm unter einer Decke – mit Mr. Zetes!«
    In dem Bruchteil einer Sekunde, der nun folgte, fragte sie sich, ob sie womöglich unrecht hatte. Joyce hätte Marisol unwissentlich etwas geben können, doch darüber gab das Bild keine Auskunft. Es musste nicht einmal etwas vorgefallen sein. Trotzdem hatte Kaitlyn keinen Zweifel daran, was sich dahinter verbarg: Bedrohung und Gefahr. Es wirkte auf sie wie das Bild von der Hexe, die Schneewittchen den vergifteten Apfel reicht. Als Kind hatte dieses Bild sie ein ums andere Mal in Angst und Schrecken versetzt.
    Als Kaitlyn die Augen öffnete, sah sie, dass sie
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