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Visionen Der Nacht: Die Dunkle Gabe

Visionen Der Nacht: Die Dunkle Gabe

Titel: Visionen Der Nacht: Die Dunkle Gabe
Autoren: Lisa J. Smith
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hat.«
    »So funktioniert das aber nicht«, sagte Kaitlyn schwach. Oh bitte, Gott … Sie brauchte nicht noch eine Kraft, noch einen Fluch.
    »Oh doch«, erwiderte Joyce. »Man bezeichnet das als Fernwahrnehmung. Du nimmst etwas wahr, das nicht in Reichweite deiner normalen Sinne liegt. Deine Bilder sind auch Fernwahrnehmungen, manchmal von Ereignissen, die noch nicht geschehen sind.«
    »Was wissen Sie über meine Bilder?« Empört sprang Kait auf. Es war unglaublich: Da spazierte diese fremde Frau einfach hier herein, spielte mit ihr, testete sie, trickste sie aus – und dann redete sie auch noch über ihre ganz privaten Bilder. Die Bilder, die die Bewohner von Thoroughfare freundlicherweise ignorierten.
    »Ich will dir gern verraten, was ich weiß«, sagte Joyce. Ihre Stimme war sanft und rhythmisch, und sie sah Kaitlyn mit ihren meerblauen Augen scharf an. »Ich weiß, dass du deine Gabe entdeckt hast, als du neun Jahre alt warst. Ein kleiner Junge aus der Nachbarschaft war verschwunden – «
    »Danny Lindenmayer«, ergänzte die Rektorin.
    »Danny Lindenmayer war verschwunden«, sagte
Joyce, ohne den Blick von Kait abzuwenden. »Die Polizei ging von Tür zu Tür und suchte nach ihm. Als sie mit deinem Vater sprachen, hast du gerade gezeichnet. Du hast alles über den vermissten Jungen gehört. Und als du mit dem Zeichnen fertig warst, hattest du ein Bild vor dir, das du nicht verstehen konntest, ein Bild mit Bäumen und einer Brücke … und einem quadratischen Gegenstand.«
    Kaitlyn nickte niedergeschlagen. Die Erinnerung machte sie noch immer fertig. Dieses erste Bild war so düster und seltsam gewesen, und ihre eigene Angst … Sie hatte gewusst, dass ihre Finger etwas Schreckliches gezeichnet hatten, aber sie hatte keine Ahnung gehabt, warum.
    »Und am nächsten Tag hast du im Fernsehen den Ort gesehen, an dem man die Leiche des kleinen Jungen fand«, sagte Joyce. »Unter einer Brücke, neben Bäumen … in einer Kiste.«
    »Einer quadratischen Kiste«, murmelte Kaitlyn.
    »Es sah genau so aus wie auf deiner Zeichnung, obwohl du nichts darüber wissen konntest. Die Brücke lag fast 50 Kilometer entfernt in einer Stadt, in der du noch nie gewesen warst. Als dein Vater die Nachrichten im Fernsehen sah, fiel auch ihm die Ähnlichkeit mit deinem Bild auf. Das beunruhigte ihn. Er zeigte deine Zeichnung anderen Leuten und erzählte ihnen, was geschehen war. Aber die Leute reagierten ablehnend.
Sie hatten dich wegen deiner Augen schon vorher als sonderbar empfunden. Aber dieser Vorfall hatte noch einmal eine ganz andere Dimension. Das gefiel ihnen nicht. Und als es wieder geschah, als deine Bilder sich immer wieder bewahrheiteten, da bekamen sie es mit der Angst zu tun.«
    »Und Kaitlyn entwickelte eine etwas problematische Einstellung«, warf die Rektorin vorsichtig ein. »Sie ist von Natur aus rebellisch und steht ständig unter Spannung – wie ein geladener Revolver. Aber nun wurde sie auch kratzbürstig und abweisend. Purer Selbstschutz.« Sie fügte ein »ts ts ts« hinzu.
    Kaitlyn starrte sie wütend an, riss sich aber zusammen. Joyce’ ruhiger, mitfühlender Tonfall hatte sie entwaffnet. Sie setzte sich wieder hin.
    »Sie wissen also alles über mich«, sagte sie zu Joyce. »Sogar, dass ich offensichtlich eine ›problematische Einstellung‹ habe. Also w…«
    »Du hast keine problematische Einstellung«, unterbrach sie Joyce. Sie wirkte fast entsetzt. Sie beugte sich wieder vor und sprach nun mit großem Ernst. »Du hast eine Gabe, eine großartige Gabe. Kait, begreifst du das nicht? Ist dir nicht klar, wie ungewöhnlich du bist, wie wunderbar?«
    Nach Kaitlyns Erfahrungen war »ungewöhnlich« durchaus nicht gleichbedeutend mit »wunderbar«.
    »In der ganzen Welt gibt es nur ganz wenige Menschen,
die eine vergleichbare Gabe haben«, sagte Joyce. »In den USA haben wir nur fünf gefunden.«
    »Fünf was?«
    »Fünf junge Leute wie dich. Natürlich mit unterschiedlichen Begabungen, sie können nicht alle dasselbe. Aber das ist großartig. Genau danach haben wir gesucht, denn so können wir eine große Bandbreite von Versuchen durchführen.«
    »Sie wollen Versuche mit mir durchführen?« Kaitlyn warf der Rektorin einen beunruhigten Blick zu.
    »Eins nach dem anderen. Ich will es dir erklären. Ich komme aus San Carlos in Kalifornien …«
    Das erklärt die Sonnenbräune, dachte Kaitlyn.
    »… und ich arbeite am Zetes-Institut. Das ist kein großes Universitätsinstitut, sondern eine ganz kleine
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