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Visionen Der Nacht: Die Dunkle Gabe

Visionen Der Nacht: Die Dunkle Gabe

Titel: Visionen Der Nacht: Die Dunkle Gabe
Autoren: Lisa J. Smith
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öffnete sie die Tür.
    Miss McCasslan, die Rektorin, erwartete sie, doch sie war nicht allein. Neben dem Schreibtisch saß eine braun gebrannte, gepflegte junge Frau mit kurzem blondem Haar.
    Mit einer schnellen anmutigen Bewegung stand sie auf. »Ich gratuliere«, sagte die blonde Frau.
    Kaitlyn rührte sich nicht, den Kopf hoch erhoben. Sie hatte keine Ahnung, was sie davon halten sollte. Doch auf einmal überkam sie eine Vorahnung.
    Das ist es. Darauf hast du gewartet.
    Sie hatte gar nicht gewusst, dass sie auf etwas gewartet hatte.

    Natürlich hast du das. Und das ist es.
    Die nächsten Minuten werden dein Leben verändern.
    »Ich bin Joyce«, sagte die blonde Frau. »Joyce Piper. Erinnerst du dich an mich?«

KAPITEL ZWEI
    Die Frau kam Kaitlyn bekannt vor. Das seidige blonde Haar umspielte ihren Kopf wie feines Robbenfell, und die Augen waren faszinierend aquamarinfarben. Sie trug einen schicken Anzug in einem sanften Roséton, bewegte sich aber eher wie eine Aerobic-Lehrerin.
    Plötzlich kam die Erinnerung. »Der Sehtest!«
    Joyce nickte. »Genau!«, sagte sie energisch. »Was weißt du denn noch davon?«
    Verwirrt sah Kaitlyn Miss McCasslan an. Die Rektorin, eine kleine Frau, sehr hübsch und ziemlich korpulent, saß mit gefalteten Händen an ihrem Schreibtisch. Ihr Gesicht war ernst, doch die Augen strahlten.
    Also gut, Ärger bekomme ich schon mal nicht, dachte Kait. Aber was hat das zu bedeuten? Unsicher stand sie in der Mitte des Raums.
    »Hab keine Angst, Kaitlyn«, sagte die Rektorin. Mit ihrer kleinen Hand, an der mehrere Ringe blitzten, deutete sie auf einen Stuhl. »Nimm Platz.«
    Kait setzte sich.
    »Ich beiße nicht«, fügte Joyce hinzu und setzte sich ebenfalls, ohne den Blick von Kaitlyn abzuwenden. »Also, woran erinnerst du dich?«
    »Da wurden die Augen getestet«, sagte Kaitlyn zögernd. »Ich dachte, es wäre so etwas wie ein Modellprojekt. «
    In Ohio wurden alle möglichen Modellprojekte durchgeführt. Da die Bevölkerung von Ohio als repräsentativ für die gesamten USA galt, waren die Bewohner des Bundesstaates ideale Versuchskaninchen.
    Ein leichtes Lächeln umspielte Joyce’ Mundwinkel. »Es geht tatsächlich um ein Modellprojekt. Aber wir haben gar nicht die Augen getestet. Erinnerst du dich noch an den Test, bei dem du die Buchstaben aufschreiben musstest, die dir gezeigt wurden?«
    »Oh ja.« Dunkel erinnerte sich Kait. Der Test war schon eine Weile her. Es war im letzten Herbst gewesen. Vielleicht Anfang Oktober. Joyce war in einer Freistunde in die Klasse gekommen und hatte die Schüler um ihre Mitarbeit gebeten. Zunächst hatte sie einige »Entspannungsübungen« mit ihnen gemacht. Kaitlyn war danach so entspannt gewesen, dass alles, was anschließend geschehen war, in einem Nebel verschwamm.
    »Sie haben jedem einen Bleistift und ein Stück Papier gegeben«, sagte Kaitlyn unsicher. »Und dann haben Sie Buchstaben auf eine Leinwand projiziert. Die sind immer kleiner und kleiner geworden. Ich war fast nicht in der Lage zu schreiben«, fügte sie hinzu. »Ich war total schlapp.«

    »Das war nur die Hypnose, mit der ich euch die Hemmungen genommen habe«, sagte Joyce und lehnte sich nach vorn. »Was noch?«
    »Ich habe weiter Buchstaben geschrieben.«
    »Ja, das stimmt«, sagte Joyce. Ein Lächeln huschte über ihr gebräuntes Gesicht. »Das hast du wirklich.«
    Nach einer kurzen Pause fragte Kaitlyn: »Also habe ich gute Augen?«
    »Das weiß ich nicht.« Joyce richtete sich wieder auf, noch immer lächelnd. »Willst du wissen, wie der Test wirklich ablief, Kaitlyn? Wir haben die Buchstaben immer kleiner gemacht, bis sie gar nicht mehr da waren. «
    »Nicht da waren?«
    »In den letzten zwanzig Bildern waren nur noch Punkte zu sehen, keine Formen. Auch wenn du Augen wie ein Habicht hättest, hättest du nichts mehr erkennen können.«
    Kaitlyn hatte das Gefühl, als streiche ihr ein eiskalter Finger das Rückgrat hinunter. »Ich habe aber doch Buchstaben gesehen«, sagte sie.
    »Ich weiß. Aber nicht mit den Augen.«
    Im Raum war es mucksmäuschenstill.
    Kaitlyns Herz hämmerte wie verrückt.
    »Im Nebenzimmer war eine Testperson«, sagte Joyce, »ein Student mit einer sehr guten Konzentrationsfähigkeit. Und der hatte Schaubilder mit Buchstaben
vor sich. Deshalb hast du die Buchstaben gesehen, Kait. Du hast sie durch seine Augen gesehen. Du hast gedacht, du sähest die Buchstaben auf dem Schaubild. Deshalb warst du geistig aufnahmebereit und hast empfangen, was er gesehen
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