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Visionen Der Nacht: Die Dunkle Gabe

Visionen Der Nacht: Die Dunkle Gabe

Titel: Visionen Der Nacht: Die Dunkle Gabe
Autoren: Lisa J. Smith
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Kaitlyn nicht erinnern konnte, in ihrem Leben schon einmal richtig geschrien zu haben, wollte sie es nun versuchen.
    Doch er ließ ihr keine Chance. Der Druck auf ihr Handgelenk nahm zu, und ehe sie auch nur Atem holen konnte, hatte er sich schon mit ihr in Bewegung gesetzt. Er zog sie zum Flugsteig zurück und in den langen Korridor, der zum Flugzeug führte.
    Allerdings war das Flugzeug weg, und der Korridor leer. Die Türen schlossen sich hinter ihnen. Kaitlyn war vom Rest des Flughafens abgeschnitten. Nun war sie zu entsetzt, um noch schreien zu können.
    »Keine Bewegung, dann geschieht dir auch nichts«, sagte der Mann im langen Gewand und sah sie mit seinen Luchsaugen grimmig an.
    Kaitlyn glaubte ihm nicht. Er hing ganz offensichtlich einer Sekte an, vielleicht war er wahnsinnig. Und er hatte sie hier an diesen abgeschiedenen Ort gebracht. Sie hätte vorher mit ihm kämpfen sollen,
hätte schreien sollen, als sie noch die Chance dazu hatte. Nun saß sie in der Falle.
    Ohne ihren Arm loszulassen, griff der Mann in eine Seitentasche seines Gewandes.
    Pistole oder Messer, dachte Kaitlyn. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Wenn sie nur einen Moment seinen Klammergriff lockern könnte – wenn sie es durch die Tür schaffen würde, dorthin, wo Leute waren …
    »Hier«, sagte der Mann. »Ich will nur, dass du dir das ansiehst.«
    In der Hand hatte er keine Waffe, sondern ein Stück Papier. Hochglanzpapier, das gefaltet gewesen war. Für Kaitlyn sah es aus wie ein Werbeprospekt.
    Ich glaube es nicht, dachte sie. Der hat sie wirklich nicht mehr alle.
    »Sieh es dir einfach an«, sagte der Mann.
    Kaitlyn blieb nichts anderes übrig, denn er hielt ihr das Bild direkt vor die Nase. Es zeigte einen Rosengarten. Einen Rosengarten, umschlossen von einer Mauer, und in der Mitte einen Springbrunnen, aus dem sich eine große Figur erhob. Vielleicht eine Eisskulptur, dachte Kaitlyn benommen. Das Ding war weißlich durchscheinend, als bestünde es aus Glas, und schimmerte in vielen Facetten. In einer dieser Facetten spiegelte sich winzig, aber deutlich sichtbar eine Rose.
    Kaitlyns Herz hämmerte noch immer wie verrückt.
Das war alles so abgefahren. Sie hätte nicht mehr Angst gehabt, wenn er sie körperlich bedroht hätte.
    »Der Kristall …«, begann der Mann, und da sah Kaitlyn ihre Chance.
    Als er zu sprechen begann, lockerte er den Griff um ihren Arm ein klein wenig, und seine Augen ruhten auf dem Bild. Kaitlyn stieß mit dem Fuß zu. Sie war froh, dass sie Pumps zum roten Kleid trug. Deren drei Zentimeter hohen Absatz rammte sie ihm nun gegen das Schienbein. Der Mann heulte auf und ließ sie los. Kaitlyn drückte mit beiden Händen die Tür auf und hechtete ins Flughafengebäude. Dort rannte sie einfach weiter, rannte und rannte, ohne sich auch nur umzusehen, ob der Mann ihr folgte. Sie wich Stühlen und Telefonzellen aus und raste ziellos durch die Menschenmenge.
    Erst als jemand ihren Namen rief, hielt sie an.
    »Kaitlyn!«
    Es war Joyce, die in Richtung Flugsteig unterwegs war. Noch nie war Kait so erleichtert gewesen, ein bekanntes Gesicht zu sehen.
    »Es tut mir leid, es war viel Verkehr, und es ist hier nicht immer so leicht, einen Parkplatz …« Sie brach ab. »Kaitlyn, stimmt was nicht?«
    Kaitlyn ließ sich in Joyce’ Arme sinken. Jetzt, da sie in Sicherheit war, hätte sie fast gelacht. Reine Hysterie, sagte sie sich. Ihr zitterten die Knie.

    »War das unheimlich«, keuchte sie. »Da war so ein Typ von einer Sekte oder so etwas, der hat mich festgehalten. Wahrscheinlich wollte er nur Geld, aber ich dachte – «
    »Er hat dich festgehalten? Wo ist er jetzt?«
    Kaitlyn wedelte vage mit der Hand. »Dahinten. Ich habe ihn getreten und bin weggerannt.«
    Joyce’ meerblaue Augen blitzten zornig, doch sie sagte nur: »Komm mit. Das erzählen wir am besten der Flughafenpolizei.«
    »Oh – aber mir ist ja gar nichts passiert. Das war nur so ein Verrückter …«
    »Verrückte wie den sperren wir weg. Sogar in Kalifornien«, sagte Joyce energisch.
    Die Flughafenpolizei ließ nach dem Mann suchen, doch er war verschwunden.
    »Übrigens«, erklärte der Beamte Joyce und Kaitlyn, »er konnte die Türen zum Flugsteig gar nicht öffnen. Die sind immer verschlossen.«
    Kaitlyn war nicht danach, sich mit ihm herumzustreiten. Sie wollte das alles möglichst schnell vergessen und zum Institut fahren. Ihre triumphale Ankunft in Kalifornien hatte sie sich jedenfalls anders vorgestellt.
    »Gehen wir«, sagte sie zu Joyce, die
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