Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Visionen Der Nacht: Die Dunkle Gabe

Visionen Der Nacht: Die Dunkle Gabe

Titel: Visionen Der Nacht: Die Dunkle Gabe
Autoren: Lisa J. Smith
Vom Netzwerk:
Highschool in Thoroughfare.
    Joyce bog in eine Einfahrt ab. Kait sah sich mit offenem Mund um.
    »Das ist es?«
    »Genau.«
    »Aber es ist lila.«
    Und zwar extrem lila. Die Schindeln an der einen Hausseite waren in einer eher zarten Fliederfarbe gehalten, die Holzverkleidung um die Fenster in einem kräftigeren Ton. Die Tür und der umlaufende Balkon waren lila lackiert. Nur das graue Dach und die Backsteine des Schornsteins hoben sich farblich ab.
    Kait hatte das Gefühl, als habe sie jemand in einen Swimmingpool mit Traubensaft gestoßen. Sie war sich nicht sicher, ob sie sich mit der Farbgebung anfreunden konnte oder sie einfach nur scheußlich fand.

    »Es war noch keine Zeit, es neu zu streichen«, erklärte Joyce, während sie das Auto einparkte. »Wir hatten alle Hände voll damit zu tun, das Erdgeschoss in Laboratorien umzuwandeln. Morgen führe ich dich überall herum. Sollen wir gleich hochgehen, damit du deine Mitbewohner kennenlernst?«
    In Kaits Magen machte sich Nervosität breit. Das Institut war viel kleiner, viel enger, als sie es sich vorgestellt hatte. Sie würde tatsächlich mit den Menschen dort leben.
    »Gern«, sagte sie. Als sie aus dem Auto stieg, reckte sie das Kinn in die Luft.
    »Um das Gepäck mach dir mal keine Sorgen. Geh schon vor. Geradeaus durch den Flur, und danach siehst du rechts eine Treppe. Da gehst du hoch – der ganze erste Stock ist für euch reserviert. Ich habe Lewis und Anna gesagt, dass ihr die Verteilung der Betten selber vornehmen könnt.«
    Kaitlyn marschierte los. Sie versuchte, weder zu trödeln, noch zu hasten. Sie wollte nicht, dass ihre Nervosität jemandem auffiel. Die lila Eingangstür war unverschlossen. Innen war die Farbgebung nicht so extravagant, im Gegenteil: Das Haus wirkte völlig normal, mit einem großen Wohnzimmer zur Rechten und einem geräumigen Esszimmer zur Linken.
    Das kannst du dir später noch ansehen, ermahnte sich Kait. Geh erst nach oben.

    Kaitlyn ging durch den gefliesten Flur zwischen Ess-und Wohnzimmer bis zur Treppe.
    Langsam. Denk ans Atmen.
    Doch ihr Herz raste, und am liebsten wäre sie die Stufen hinaufgerannt. Die Treppe führte in einem Bogen zu einem Absatz, und dann war Kait auch schon oben.
    Der Flur im ersten Stock war vollgestopft mit Möbeln, die planlos nebeneinander abgestellt worden waren. Vor Kait und zu ihrer Linken stand jeweils eine Tür offen. Aus einem der Zimmer kamen Stimmen.
    Okay, wen kümmert’s, ob sie nett sind? Wahrscheinlich sind sie Widerlinge, aber das kann mir egal sein. Ich brauche niemanden. Vielleicht lerne ich hier ja den einen oder anderen nützlichen Fluch.
    Die Panik, die sie in letzter Sekunde packte, machte sie waghalsig. Sie stürzte fast kämpferisch durch die Tür.
    Und blieb wie angewurzelt stehen. Ein Mädchen kniete auf einem der beiden Betten, die noch nicht bezogen waren. Ein hübsches, anmutiges Mädchen, dunkelhaarig, mit hohen Wangenknochen und ernsten Zügen. Kaitlyns Kampfbereitschaft schmolz dahin, und die Mauer, die sie um sich errichtet hatte, fiel in sich zusammen. Das Mädchen verströmte Friedfertigkeit, wie eine angenehm kühle Brise.
    »Du bist Kaitlyn«, sagte sie lächelnd.

    »Und du bist … Anna?«
    »Anna Eva Whiteraven.«
    »Ein wunderschöner Name«, sagte Kaitlyn.
    Das waren nicht gerade Worte, die an der Warren G. Harding Highschool üblich gewesen wären – aber die hatte Kaitlyn ja auch hinter sich gelassen. Über Annas ebenmäßiges Gesicht breitete sich wieder ein Lächeln aus.
    »Du hast wunderschöne Augen«, sagte sie.
    »Wirklich?«, fragte eine andere Stimme gespannt. »Hey, dreh dich mal um.«
    Und das tat sie. In der gegenüberliegenden Wand befand sich ein Erker mit einem Fenster, aus dem ein Junge in Kaitlyns Alter direkt auf sie zuging. Auch er sah alles andere als bedrohlich aus. Er hatte schwarze Haare und braune, mandelförmige Augen. An der Kamera in seinen Händen konnte Kaitlyn ablesen, dass er durch das offene Fenster fotografiert hatte.
    »Lächeln!« Der Blitz blendete Kaitlyn.
    »Aua!«
    »’tschuldigung. Ich wollte nur den Moment festhalten. « Er ließ den Fotoapparat los, der nun an einem Riemchen um seinen Hals baumelte, und streckte die Hand aus. »Du hast wirklich supertolle Augen. Irgendwie unheimlich. Ich bin Lewis Chao.«
    Er hatte ein freundliches Gesicht, fand Kaitlyn, und war durchaus nicht groß und grob, sondern eher klein
und nett. Auch die Hand, die er ihr gab, war nicht feucht, und in seinen Augen vermisste sie die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher