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Vision - das Zeichen der Liebenden

Vision - das Zeichen der Liebenden

Titel: Vision - das Zeichen der Liebenden
Autoren: Arena , Javier Pelegrin
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vage, wie er als Kind manchmal seiner Mutter dabei zugesehen hatte. Er zog die Reinigungstücher aus dem Schränkchen und rubbelte erbarmungslos Stirn, Lippen und Wangen ab, bis keine Spur von Make-up mehr auf seiner Haut war. Dann kippte er ein wenig Make-up-Entferner auf ein Wattepad und säuberte Wimpern und Augenlider vorsichtig von der Farbe.
    Als er fertig war, lächelte er skeptisch in den Spiegel. Sein nasses Haar wirkte dunkler als gewöhnlich, da war kaum noch eine Spur Blond, und seine Wangen leuchteten nach der heftigen Reinigungsprozedur feuerrot. Aber seine blauen Augen wirkten klar und hellwach wie immer. Ernste, warme Augen, wie seine Mutter immer sagte. Das Beste an ihm.
    Als im Flur plötzlich Schritte zu hören waren, knipste Alex hastig das Licht aus und öffnete die Tür.
    Vor ihm an der Wand lehnte ein etwa fünfzehnjähriger Junge. Alex erkannte ihn sofort, obwohl man ihn schon letzten Winter aus der Schule geworfen hatte. Es war David, Janas Bruder.
    »Wie geht’s?«, begrüßte ihn der Junge, ohne sich zu rühren. »Jana hat mir gesagt, dass du hier bist.«
    »Hallo David, lange nicht gesehen.«
    Sie hatten eigentlich nie etwas miteinander zu tun gehabt, waren sich nur ab und zu auf dem Schulhof über den Weg gelaufen. Alex wusste von seiner Schwester Laura, dass David jahrelang Klassenbester gewesen war. Der Tod seiner Eltern hatte alles verändert: Er war aufsässig geworden und hatte sich ein paarmal auf dem Schulhof geprügelt. So ein Verhalten wurde in Los Olmos nicht geduldet.
    »Jana muss noch was erledigen, sie hat gerade einen Kunden. Wenn du willst, kannst du in der Bibliothek auf sie warten, sagt sie. Komm, ich bring dich hin.«
    David drückte sich von der Wand ab und lief los, aber Alex hielt ihn an der Schulter zurück. Janas Bruder drehte sich um und sah ihn kühl aus diesen blaugrünen mandelförmigen Augen an, über die alle Mädchen in Los Olmos getuschelt hatten. Sie harmonierten perfekt mit Davids bleichen, scharf konturierten Wangen und seinen schmalen, schön geschwungenen Lippen.
    »Was für einen Kunden?«, fragte Alex leise. Seine Stimme zitterte.
    David lächelte spöttisch.
    »Was machst du denn für ein Gesicht? Hat Jana dir nichts erzählt?«
    Alex schüttelte langsam den Kopf, während er versuchte, seine Gefühle wieder unter Kontrolle zu bekommen.
    »Wir haben ein Tattoo-Studio. Davon leben wir. Jana entwirft die Motive und ich gebe ihnen die künstlerische Note und übertrage sie anschließend auf die Haut.«
    David hatte sich wieder in Bewegung gesetzt und diesmal folgte Alex ihm widerstandslos.
    »Ich wusste, dass Jana gut zeichnen kann, aber ich hatte keine Ahnung, dass sie Tattoos entwirft«, stellte er fest, während sie den Flur entlanggingen.
    »Erst seit unsere Eltern tot sind. Von irgendwas müssen wir schließlich leben. Und wir sind gut. Richtig gut. Auch als Team.«
    »Aber warum mitten in der Nacht? Das ist ziemlich seltsam, oder?«
    »Wir machen keine normalen Tattoos. Sie sind… ungewöhnlich. Und der Zeitpunkt ist wichtig. Tagsüber würden sie nicht gelingen.«
    Sie stiegen eine weitere Treppe hinauf, dann blieb David vor einer schweren Holztür stehen, die aussah, als wäre sie zugeschlossen. Janas Bruder machte keine Anstalten, sie zu öffnen. Stattdessen lehnte er sich gegen die Tür und lächelte Alex eisig an.
    »Interessierst du dich für Tattoos?«, fragte er ironisch.
    »Jetzt schon«, erwiderte Alex ungerührt. »Macht ihr auch Piercings?«
    Das Lächeln auf Davids Gesicht erlosch.
    »Nein«, sagte er nur. »Wir mögen keine Piercings. Sie sind genau das Gegenteil von dem, was wir tun. Sie verstümmeln den Körper. Unsere Tattoos dagegen… wie soll ich das erklären… unsere Tattoos ergänzen den Körper, eröffnen ihm neue Möglichkeiten, statt ihm irgendetwas wegzunehmen.«
    David schien das, was er sagte, völlig ernst zu meinen. Alex erwiderte seinen Blick.
    »Ehrlich gesagt, verstehe ich das nicht ganz.«
    David vergrub die Hände tief in den Taschen, wie um zu signalisieren, dass er jetzt etwas weiter ausholen musste.
    »In manchen Kulturen werden Tattoos magische Eigenschaften zugeschrieben«, sagte er, ohne Alex aus den Augen zu lassen. »Sie verleihen einem die Kraft oder die besonderen Fähigkeiten dessen, was tätowiert wird. Sie sorgen quasi dafür, dass die verschiedenen Wesen auf der Haut des Betreffenden in seiner Seele zusammenleben. Ein Piercing ist genau das Gegenteil eines Tattoos, es nimmt einem etwas weg, was
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