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Viscount und Verfuehrer

Titel: Viscount und Verfuehrer
Autoren: Karen Hawkins
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aber ich fürchte, Lady Charlotte hat recht. Ich stehe nun seit beinahe fünfzehn Jahren in Diensten Seiner Gnaden, und mir scheint auch, dass er sich in letzter Zeit stark verändert hat.“
    Beth hielt inne, das Lächeln immer noch im Gesicht. „Finden Sie?“
    Jameson nickte. Sein schmales Gesicht war voller Sorgenfalten.
    Auf Charlottes Meinung gab Beth nicht allzu viel, die glaubte dauernd, dass sie und alle, die in ihrer Nähe weilten, an dieser oder jener Krankheit litten. Doch wenn Jameson andeutete, ihrem Großvater gehe es nicht gut, Jameson, der Großvater genauso gut kannte wie Beth, wenn nicht noch besser ...
    Ihr schmerzten bereits die Wangen, doch sie lächelte immer weiter. „Seine Gnaden ist einfach müde, das ist alles.“
    Ihre Stimme war viel schärfer, als sie beabsichtigt hatte. Einen langen Augenblick schwiegen sie beide. Dann verneigte Jameson sich und sagte ausdruckslos: „Ich bringe den Tee, Mylady.“
    Was ist nur mit mir los, fragte Beth sich, als sie die Bibliothek betrat. Normalerweise fuhr sie die Dienstboten nie an. Vermutlich lag es an der frühen Stunde. Ja, genau, das war das Problem, sie war viel früher aufgestanden als sonst, und das ganze Gerede, dass ihr Großvater krank sei, hatte sie aufgeregt.
    Vor dem dicken Teppich blieb sie stehen und sah ihren Großvater an. Er saß am Kamin, die Schultern eingesunken, in ein warmes Tuch gehüllt. Einen Augenblick leuchtete seine Gestalt im Feuerschein auf. Er war dünn und ausgemergelt, sein dichter weißer Haarschopf stand wild wie eh und je in die Höhe. Abwesend starrte der alte Herr ins Feuer.
    Liebevoll lächelte Beth ihn an. Ihre Beunruhigung schwand. Laurence Jeremy Charles Westover, der Duke of Massingale, war ein zäher alter Mann. Im zarten Alter von zwanzig Jahren hatte er Titel, Stellung und zahllose mit hohen Hypotheken belastete Besitzungen geerbt. Ein schwächerer Mann wäre versucht gewesen, den Kopf in den Sand zu stecken und so zu tun, als wäre alles in Ordnung, solange das eben ging. Doch Laurence Jeremy Charles Westover war nicht schwach. Eigentlich war er sogar unbezwingbar.
    Er war kein direkter Nachfahr, sondern stammte aus einer Seitenlinie. Die vornehmere Seite der Familie hatte ihn übersehen und ignoriert, bis die übrigen männlichen Anverwandten von einer Grippewelle dahingerafft wurden. Der ton lachte spöttisch, als der Name des neuen Herzogs bekannt gegeben wurde; es hieß, er entstamme einer einfachen Familie aus Yorkshire, die Mutter sei die Tochter eines deutschen Buchbinders, der Vater, ein schlecht bezahlter Pfarrer, sei entfernt mit den Westovers verwandt.
    Der neue Duke ließ sich nicht entmutigen. Er mochte ja der Sohn einer Buchbindertochter und eines armen Pfarrers sein, aber er wusste, wie man sparte und ein Geschäft führte. Binnen Monaten hatte er die jahrhundertelange Misswirtschaft besiegt, und in wenigen Jahren hatten die Besitzungen ihren früheren Glanz und Reichtum wiedererlangt.
    Ältere Mitglieder des ton erklärten ätzend, dass sie den neuen Herzog nie akzeptieren würden - Titel hin oder her, er war ein Bürgerlicher, sogar ein Geschäftsmann. Doch die jüngeren Mitglieder - vor allem die mit heiratsfähigen Töchtern - sahen die Sache gänzlich anders, schließlich war der Duke of Massingale reich wie Krösus und unverheiratet. Unter diesen Umständen konnte man eine Menge Fehler übersehen. Und so wurde der neue Duke samt seiner freimütigen, unverblümten Art in der Gesellschaft akzeptiert.
    Beth trat ein paar Schritte vor, bis sich ihr Großvater ihr zuwandte. Sofort knickste sie. „Sie haben mich rufen lassen, Euer Gnaden?“
    Die Hand fest um den Stock mit dem silbernen Knauf geklammert, warf der Großvater ihr unter weißen Brauen einen finsteren Blick zu. „Geh mir doch mit deinen Gnaden, du bist doch kein Dummkopf. Setz dich.“
    Beth grinste und ließ sich ihm gegenüber nieder, wobei sie einen interessierten Blick auf die Scherben vor dem Kamin blickte. „Sind die von unserem neuen Delfter Service?“
    Er sank noch weiter in sich zusammen. „Blödes blaues Zeug.“
    „Vielleicht sollten wir die vergoldeten Sachen nehmen, die könntest du höchstens eindellen, aber nicht zerbrechen. Allerdings möchte ich mir nicht vorstellen, wie der Kaminschirm nach einem weiteren Angriff aussieht.“
    Ihr Großvater sah sie erbost an. „Ich hätte ja überhaupt kein Geschirr werfen müssen, wenn in dieser verdammten Zeitung nicht so ein Unsinn gestanden hätte.“ Finster
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