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Viscount und Verfuehrer

Titel: Viscount und Verfuehrer
Autoren: Karen Hawkins
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am Eingang längst verlassen. Als sie jedoch das lebhafte Gedränge an der Tür bemerkte, eilte sie mit ihrem Gatten herbei, um zu sehen, wer gekommen war und eine derartige Unruhe verbreitete. Lady Hearst erreichte die Tür als Erste und sah sich den Findercombes gegenüber, die den Mittelpunkt einer rasch wachsenden Gruppe bildeten.
    „Wir“, erklärte Lord Findercombe mit zornbebender Stimme, „wurden ausgeraubt!“
    Im Nu war die Langeweile der letzten vier Stunden vergessen.
    „Lieber Himmel“, meinte Lord Hearst über das Stimmengewirr hinweg, „Lord Findercombe, wie ist das denn passiert?“
    Seine Lordschaft wandte sich an seine Gattin. „Lucilla, zeig’s ihnen.“
    Lucilla band die Schleife an ihrem Hals auf, riss den Mantel auf und offenbarte ihr tief ausgeschnittenes Kleid. Ihr herrliches Dekollete lag zur Betrachtung bereit, und die gesamte Aufmerksamkeit der Gäste richtete sich darauf.
    Einen Augenblick lang verstummte jedes Gespräch.
    Lady Hearsts Wangen röteten sich. Ein schon recht alkoholisierter Gentleman beugte sich vor, linste in den Ausschnitt und sagte: „Also, ich find’, die sehen doch prima aus. Alle beide.“
    Gelächter brandete auf.
    Lord Findercombe bedachte den jungen Stutzer mit einem vernichtenden Blick. „Doch nicht ihr Busen, Sie Dummkopf. Ihre Juwelen! Alle weg! Ein Straßenräuber hat uns überfallen und ausgeraubt!“
    „Nicht zu fassen!“, rief Lord Hearst aus.
    „Ja, und der Schurke besaß auch noch die Frechheit, Lucilla anzubieten, sie dürfe eine ihrer Broschen behalten, wenn sie ihm einen Kuss gäbe!“
    Besorgt blickte Lady Hearst auf Lucilla. Doch die jüngere Frau wirkte nicht im Mindesten entrüstet, im Gegenteil: Um ihre Lippen spielte ein leises, sehr geheimnisvolles Lächeln. Plötzlich wirkte Lucillas unattraktives Gesicht sogar irgendwie hübsch und sinnlich.
    Die versammelte Gästeschar summte vor Aufregung. Immer mehr Leute drängten in die Eingangshalle und reckten die Hälse, um zu sehen, wer da gerade sprach. Lady Hearst wäre vor Freude beinahe geplatzt. Jetzt waren die Ballgäste sicher froh, eingeladen worden zu sein. Herrlich!
    Sie drängte sich nach vom durch und hängte sich bei Lucilla ein. „Ach, Sie armes Kind! Was haben Sie dann nur gemacht?“
    „Gemacht?“ Lucillas Lächeln geriet nicht ins Wanken. Langsam hob sie die linke Hand. Auf der Handfläche prangte eine riesige Smaragdbrosche.
    Lady Hearst brach in Gelächter aus und umarmte Lucilla.
    „Ach, was für ein freches Ding Sie doch sind. Ein Kuss für eine Brosche!“
    Lucilla sah auf die Brosche, Staunen im Blick. „So einen Straßenräuber habe ich noch nie gesehen. Seine Stimme ... “ Lucilla schloss kurz die Augen. Sie lächelte immer noch. „Sie war so volltönend, glatt wie Seide. Und tief. Eine solche Stimme habe ich noch nie gehört. Und er war so kultiviert, so attraktiv, so höflich ... “
    „Meine Liebe!“, rief Lady Hearst aus. „Ihr Straßenräuber war niemand anderer als Gentleman James!“
    Lucilla riss die Augen auf. „Wer?“
    „Gentleman James - oder Gentleman Jack, wie manche ihn nennen - ist der hiesige Schurke. Er überfällt aber nur die ganz Reichen.“
    „Gentleman James?“, gurrte eine Dame und riss die Augen auf. „Ist das ein böser Mann?“
    „Ich glaube nicht“, versetzte Lady Hearst. „Er scheint recht kultiviert, und bisher hat er noch keiner Seele etwas zuleide getan.“
    „Das stimmt“, pflichtete ihr Lord Hearst bei. „Es heißt, er sei ein wahrer Teufel mit dem Degen, und schießen kann er auch hervorragend.“
    Lord Findercombe ballte die Fäuste und ließ sich zu einem ziemlich rätselhaften „Ha!“ hinreißen.
    „Der Gentleman hat einwandfreie Manieren“, fuhr Lady Hearst fort und ignorierte Lord Findercombes Ausbruch. „Manche sagen, er sei der illegitime Sohn eines Adeligen.“ „Was auch immer“, zürnte Lord Findercombe, „der Rüpel hat es verdient, am Galgen zu baumeln!“
    „Gar nicht so einfach“, erklärte Lord Hearst. „Bisher hat ihn noch keiner erwischen können, obwohl viele es schon versucht haben. Er kommt, fordert und verschwindet spurlos.“
    „Er soll groß sein“, meinte Lady Hearst. „Sehr groß, mit schwarzem Haar und ... “
    „O nein“, widersprach Lucilla. Sie errötete und sah ihren Gatten verstohlen unter den Wimpern hervor an. „Der Räuber war nicht groß. Aber ich konnte einen Blick auf seine Augen werfen. Sie waren so blau wie ... “
    „Lucilla!“
    Alle wandten sich dem
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