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Viscount und Verfuehrer

Titel: Viscount und Verfuehrer
Autoren: Karen Hawkins
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Drama gegeben.“
    Willie schnaubte amüsiert. „Aye, ein kleines Drama! Anscheinend wurde die Kutsche irgendeines hochnäsigen Gentlemans überfallen ... “
    Christian sah Willie warnend an und hoffte gleichzeitig, dass der scharfsichtige Butler es nicht bemerkt hatte.
    Reeves’ Aufmerksamkeit war indes noch auf den armen Willie gerichtet. „Erzählen Sie mir doch ein wenig mehr
    über den hochnäsigen Gentleman. Woher wollen Sie denn wissen, dass er über ein derartiges, ah, Naturell verfügt?“ Willie trat von einem Fuß auf den anderen und warf Christian einen wilden Blick zu.
    Christian erbarmte sich seiner. „Reeves, wir sollten aufbrechen. Sagen Sie doch dem Burschen ...“
    „Mylord“, unterbrach der Butler missbilligend, „gibt es vielleicht etwas, was Sie mir sagen möchten? Etwas über den Gentleman, der dieses Haus vor nicht allzu langer Zeit mit der Nachricht betreten hat, er sei überfallen worden?“ „Nein.“
    Reeves seufzte. „Eines Tages kommt die Abrechnung.“ „Ach, jetzt aber mal halblang“, erklärte Willie. „Wir haben uns doch bloß ein bisschen amüsiert. Kein Grund, gleich am Rad zu drehen. “
    „Ich drehe nicht am Rad“, erklärte Reeves streng. „Lord Westerville hat soeben ein riesiges Vermögen geerbt. Es besteht keinerlei Notwendigkeit mehr für derlei Zwischenfälle.“
    „Niemand hat behauptet, sie seien notwendig“, versetzte Christian. „Aber sie machen ziemlich Spaß.“
    Willie lachte in sich hinein. „Die Lady war richtig spitz, stimmt’s, Master Jack?“
    Reeves zuckte zusammen. „Mein lieber Willie, bitte versuchen Sie doch wenigstens, Seine Lordschaft mit seinem Titel anzureden. “
    „Pah“, murrte Willie und putzte sich die Nase am Ärmel ab. „Fällt mir nicht ein, Master Jack Mylord zu nennen, wenn wir unterwegs auf der freien Landstraße sind. “ Reeves sah Christian resigniert an. „Mylord, als Ihr Vater mich beauftragt hatte, nach seinem Tod nach Ihnen zu suchen, hätte ich mir nicht träumen lassen, dass Sie einem so gefährlichen Handwerk nachgehen. “
    Christians Lächeln erstarrte. Um überleben zu können, musste man sich konzentrieren, klaren Kopf behalten. Selbst jetzt noch überkam ihn heiße Wut, wenn jemand seinen Vater erwähnte - oder war es Trauer? Jedenfalls war es eine mächtige Empfindung, bei der er sich gleichzeitig stark und unendlich schwach fühlte. Er biss die Zähne zusammen. Wenn er den Mörder seiner Mutter finden wollte, musste er sich daran gewöhnen, den Namen seines Vaters zu hören. Einst hatte er sich nichts sehnlicher gewünscht als genau das: den Namen seines Vaters zu hören. Doch diese Zeiten waren lang vorbei.
    Christian fing Reeves’ nachdenklichen Blick auf. „Wenn mein Vater gewollt hätte, dass ich einer einträglicheren Beschäftigung nachgehe, hätte er sich zu Lebzeiten etwas mehr um mich und meinen Bruder kümmern sollen. Er hat uns kaum beachtet, daher kann ich es kaum glauben, dass er auf dem Sterbebett tatsächlich an uns gedacht haben soll.“
    Reeves seufzte. „Wenn Sie mir gestatten wollen, es zu erklären ...“
    „Es spielt keine Rolle. Ich will das Vermögen; ich werde es dazu nutzen, die Suche nach dem Mann voranzutreiben, der Mutter verraten hat und für ihren Tod verantwortlich ist. Das ist alles, was wirklich zählt.“
    Willie spuckte auf die Erde. „Rache“, sagte er genüsslich.
    „Rache hat noch keinem gutgetan“, erklärte Reeves kühl.
    „Ach was. Wie können Sie das behaupten? So macht man es in den Highlands.“
    Reeves schüttelte den Kopf. „Mylord, ich flehe Sie an, Gentleman James aufs Altenteil zu schicken, wo er zur Legende werden kann, genau wie er es verdient. Es nützt Ihnen schließlich nichts, wenn Sie erwischt und ins Gefängnis geworfen werden. “
    Christian wusste, dass Reeves recht hatte. Und trotzdem ... Bevor er den Titel erlangt und Aussicht auf ein Vermögen erhalten hatte, hatte er nie gedacht, dass sein Herz an der Straßenräuberei hing. Er hatte die pechschwarzen, kalten Nächte, die erregende Ungewissheit einer jeden Begegnung durchaus genossen. Doch der eigentliche Grund, warum er es so befriedigend fand, glaubte er, war der Umstand, dass er jemanden überlistete, der reicher war als er, reicher und mächtiger. In Wahrheit triumphierte er über jemanden wie seinen Vater. Jemanden, der kalt, arrogant und gefühllos war.
    In letzter Zeit war Christian der Verdacht gekommen, dass er die Straßenräuberei auch noch aus anderen Gründen genoss.
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