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Virus (German Edition)

Virus (German Edition)

Titel: Virus (German Edition)
Autoren: Kristian Isringhaus
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wurde,
hatte Holger noch aktiv dafür mitgekämpft, dass die Siedlung bestehen bleiben
durfte. Damals hatte es noch etwas gegeben, wofür zu kämpfen sich gelohnt
hatte. Jetzt im Nachhinein erschien es sinnlos. Hätte er damals nicht gekämpft,
wäre er jetzt nicht von einem Zaun eingeschlossen.
    Der kurze Spaziergang tat
allerdings gut. Der frische Wind und der Regen in seinem Gesicht halfen ihm, der
Schlaftrunkenheit Herr zu werden und wieder einen klaren Kopf zu bekommen.
Nicht einmal die Kapuze seines Sweatshirts zog er über den Kopf. Zu ruinieren
war an seiner Frisur sowieso nichts, denn gekämmt hatte Holger seine halbkurzen
dunklen Haare seit Jahren nicht.
    Nach wenigen Minuten erreichte er
das Kongresszentrum.  Er hatte mit einigem gerechnet, aber mit so einem
Aufmarsch nicht. Feuerwehrfahrzeuge, Mannschaftsbusse der Polizei und unzählige
Ambulanzen standen auf dem Parkplatz vor dem Gebäude und hüllten mit ihren zig
Blaulichtern die Szenerie in ein unwirkliches Licht. Holger warf einen Blick
auf die Nummernschilder der Krankentransportwagen. Einige waren sogar aus Rostock
angefordert worden.
    Unmittelbar hinter dem Parkplatz
verlief der Zaun, belagert von unzähligen Kameraleuten und Journalisten. Letztere
besaßen ein hochentwickeltes Sinnesorgan, das dem normalen Erdenbürger nicht
zur Verfügung stand. Es nahm Sensationen wahr, noch bevor sie wirklich
auftauchten. Die Medienmeute hatte Witterung aufgenommen und kreiste nun wie
Geier über einem dinierenden Löwenrudel, in der Hoffnung, dass etwas für sie
übrigblieb.
    Noch hinter den Journalisten
hatte sich eine ganze Horde von Globalisierungsgegnern eingefunden, die
hochmotiviert und mit unerschütterlicher Moral ihre Parolen skandierten. Arme
Irre, dachte Holger. Niemand interessierte sich für sie. Keine einzige
Kamera war auf sie gerichtet und Politiker waren mit Sicherheit nicht mehr in
der Nähe, wenn es einen Toten gegeben hatte. Doch Mitleid hatte Holger nicht
mit ihnen. Er hasste dieses Pack.
    Ein Streifenpolizist riss ihn jäh
aus seinen Gedanken und brachte ihn wieder in die Realität zurück. Der Mann kam
ihm irgendwie bekannt vor. Wahrscheinlich hatte er ihn mal in der Kirche
gesehen.
    „Guten Tag, Herr Pastor”, sagte
der Polizist.

5.
    Im Kongresszentrum herrschte ein
biblisches Chaos. Menschen rannten hektisch durcheinander und ineinander,
umkurvten oder verschoben willkürlich herumstehende Krankentransportliegen oder
Teile der Saalbestuhlung, stolperten oder standen anderen im Weg. Untermalt
wurde die Szenerie von einem beachtlichen Lärmpegel. Um sich verständlich zu
machen, musste man brüllen. Feststellungen, Flüche, Fragen, Antworten, Anweisungen
und Aufforderungen vermischten sich zu einem einzigen undistinguierten Brei.
Dazu lag der beißende Geruch von Verbranntem, Verkohltem und Verschweltem in
der Luft.
    Die Mitarbeiter mindestens sechs
verschiedener Institutionen gingen hier ihrer Arbeit nach und standen sich
gegenseitig im Weg. Da war erstens die Feuerwehr, die den Brand auf der Bühne
gelöscht hatte und nun seine Spuren untersuchte.
    Ebenfalls anzutreffen waren die
Notärzte und Sanitäter der umliegenden Krankenhäuser, die sich um die vielen
Schock-Patienten kümmerten.
    Dazu kamen Mitarbeiter
unabhängiger Unfallhilfen wie der Johanniter, die hinzu gerufen worden waren,
weil die Krankenhäuser nicht genug Personal zur Verfügung stellen konnten.
Unglaublicherweise und obwohl eigentlich alle das gleiche Ziel verfolgen
sollten, Leben zu retten, arbeiteten unabhängige Unfallhilfen in Konkurrenz zu
einander und zu den Krankenhäusern. Es hatte sogar Fälle gegeben, wo
Unfallopfer fast gestorben wären, weil sich verschiedene herbei gerufene
Hilfsdienste nicht über die Zuständigkeit einigen konnten. Diese
Konkurrenzsituation leistete geflissentlich ihren Beitrag zum Chaos.
    Darüber hinaus waren natürlich
das BKA und der BND anwesend. Beide Organisationen waren für die Sicherheit der
Regierungschefs verantwortlich, wenn auch auf verschiedenen Gebieten. Während
das BKA den Personenschutz leistete und nun zu ergründen hatte, ob die
Sicherheit der Regierungschefs in irgendeiner Weise gefährdet war, war es die
Aufgabe des BND, nach möglichen terroristischen Hintergründen zu forschen.
    Doch beide Organisationen mussten
feststellen, dass es sich schwierig gestaltete, Erkenntnisse zu gewinnen.
Unisono berichteten die Zeugen von einem seltsamen Ton und von dem Feuer.
    Der Ton wurde von schrecklich bis
wunderschön
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