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Virus (German Edition)

Virus (German Edition)

Titel: Virus (German Edition)
Autoren: Kristian Isringhaus
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diskutieren.
    Er hatte es auf die freundliche
Art versucht. Zeit für schwerere Geschütze.
    „Was fahren Sie denn für ein
Auto, Dr. Schubert?”
    „Mercedes”, antwortete dieser
unsicher. „Wieso?” Ihm war anzusehen, dass diese Wendung des Gesprächs ihm
nicht gefiel. Instinktiv, als könne er auf diese Weise seine Einschätzung
schützen, umklammerte er das Klemmbrett fester.
    „Wir sind zu Ihrem Schutz da, Dr.
Schubert”, sagte Wegmann. „Es kann so schnell passieren, dass Randalierer ein
Auto beschädigen. Sie wollen es sich doch mit der Polizei nicht verscherzen?”
    „Ich bin gut versichert.” Dr.
Schuberts Stimme war wieder sicher und er war hörbar verärgert.
    „Haben Sie Kinder?” fragte
Wegmann.

6.
    Holger hasste es, wenn man ihn
‚Pastor’ nannte. Er war kein guter Hirte für seine Herde mehr. Er hatte seinen
kompletten Glauben verloren. Viel mehr noch war er sogar fest davon überzeugt,
dass es keinen Gott gab. Seine Predigten waren uninspiriert und die Zahl der
Kirchgänger in der Gemeinde nahm beständig ab.
    Seine Verachtung für diese Welt,
seine völlige Gleichgültigkeit ihr gegenüber und sein beißender Zynismus
klangen stets in seinen Predigten durch. Richtig eskaliert war die Situation
einmal, als Holger Nietzsches Antichristen zitiert hatte. Bis heute stand seine
feste Überzeugung, sein Argument, dass auch Christen und Kirchgänger nicht
blind einem Buch folgen durften, sondern eigene Entscheidungen treffen mussten,
sei richtig. Vielleicht war Nietzsche nicht die treffendste Referenz gewesen,
zugegeben. Er hatte für Empörung gesorgt und sich vor der Kirchenkonferenz
veantworten müssen.
    Holger war es egal. Er machte den
Job weiter, weil Pfarrer nun mal einfach kein Job war, den man einfach so
aufgab. Und von irgendwas musste er ja schließlich leben. Zudem, so war er sich
sicher, würde er binnen kürzester Zeit zu einem hemmungslosen Alkoholiker
werden, wenn er auch seine letzte Aufgabe im Leben verlor. Auch ohne Glauben an
Gott gab ihm das Amt des Pfarrers das letzte bisschen Halt, das er noch im
Leben hatte.
    Doch Aufgaben wie die heutige
gehörten nicht zu seinen bevorzugten. Holger hatte schon jetzt keine Lust mehr.
Wieso hatte dieser Blödmann ihn als ‚Herr Pastor’ anreden müssen? Es erinnerte
ihn nur wieder daran, wie schlecht er in seinem Beruf war. Und dem sollte er
jetzt nachgehen.
    Bereits am Eingang zum
Kongresszentrum stieß er auf das nächste Problem. Die ohnehin ausufernden
Sicherheitsmaßnahmen während des Gipfels waren nach dem schrecklichen Ereignis
am Nachmittag ins Unermessliche gestiegen.
    „Sie können hier nicht rein.” Ein
am Eingang postierter Polizist stellte sich Holger in den Weg, ohne ihn auch
nur nach seinem Namen oder seiner Absicht zu fragen. Der Polizist war weitaus
kleiner als die eins fünfundachtzig, die Holger maß, und leicht untersetzt.
    „Ihr Freunde und Helfer seid doch
zu amüsant”, erwiderte Holger. Wie immer verlieh er seiner Prosodie eine
leiernde Gleichgültigkeit, die nicht selten als Arroganz fehlinterpretiert
wurde. „Herbestellen und dann nicht rein lassen? Mordsidee! Köstlich! Mein
Zwerchfell brennt. Was für einen Spaß lasst ihr euch wohl als nächstes
einfallen?”
    „ Wer hat Sie herbestellt?”
der Polizist ignorierte Holgers herablassende Haltung dienstbeflissen.
    „Die Freunde vom Polizeigesangsverein
Grün-Weiß Rostock”, antwortete Holger immer noch leiernd, doch inzwischen auch
leicht gereizt.
    „Klar. Und warum sollte ein
Mensch, der klar bei Verstand ist, gerade Sie hierher bestellen?”
    „Ich habe nie behauptet, es gebe
in eurem Verein Mitglieder, die klar bei Verstand sind.”
    „Vorsicht, Mann. Sonst hast du
Handschellen an, so schnell kannst du nicht gucken.” Der Polizist wurde jetzt
richtig sauer.
    Was für ein
Riesenarschloch! dachte Holger. Es war nervig, wenn einfache Polizisten mit Aufgaben betraut
wurden, die sie überforderten. Hier musste selbständig geurteilt werden. Dem
war der kleine Polizist nicht gewachsen. Alles, was ihm durch seinen kleinen,
vermutlich relativ leeren Kopf ging, war, keinen Fehler zu begehen. Er
arbeitete hier mit Geheimdienstlern und BKA-Leuten zusammen. Die würden ihn
zusammenfalten, dass ihm Hören und Sehen verging, wenn er einem Unbefugten Zutritt
gewährte. Nicht auszudenken, er würde auf den billigen Trick eines Boulevard-Journalisten
hereinfallen.
    Holger blickte sich genervt um.
Das Chaos, das Gebrüll, die umherlaufenden Menschen, die
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