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Virga 01 - Planet der Sonnen

Titel: Virga 01 - Planet der Sonnen
Autoren: Karl Schroeder
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da unten?«, fragte sie.
    »Abstellplätze für Bikes«, sagte er und öffnete die Tür zu einem weiteren zugigen Laufsteg. Hier hielt sich kaum jemand auf. Der Steg führte in weitem Bogen nach oben und verschwand in der Ferne. Zur Rechten reihten sich kleine Büros mit Milchglastüren aneinander, die linke Wand war von vielen deckenhohen Bogenfenstern durchbrochen. Vor den Fenstern führte ein Mutsteg entlang, und dahinter sah man nichts als freie Luft.

    Im Boden waren viele Klappen eingelassen. Etwa über der Hälfte davon hingen Bikes. Es roch nach Maschinenöl, ein männlicher Duft, den Venera zugleich verführerisch und abstoßend fand. Dahinter bauten Männer in Overalls ein Bike zusammen. Die Einzelteile waren in Reih und Glied auf einer Plane ausgelegt, die peinliche Ordnung stand in krassem Widerspruch zu dem scheinbaren Chaos des offenen Fahrwerks.
    Es war ein Ort für Männer; das gefiel ihr. »Haben Sie selbst ein Bike?«, fragte sie den Diener.
    »Ja, es ist gleich da drüben.« Er übergab dem Dockaufseher einen Zettel und bekam dafür einen Schlüssel und eine abgewetzte Lederjacke. Sie gingen zu seiner Maschine, und er kniete nieder und sperrte die Klappe unter dem sachte hin und her schwankenden Gefährt auf.
    »Lassen Sie mich raten«, sagte sie. »Eine Gray Fünfundvierzig?«
    Er lachte. »Das sind schwere Schlepper. Dies hier ist eine Rennmaschine. Es ist eine Canfield Arrow, Modell Vierzehn. Ich habe sie mir von meinem ersten Gehalt in Ihren Diensten gekauft.«
    »Sie hat einen Beifahrersitz«, sagte sie. Die Vorstellung, mit dem Ding zu fliegen, erschien ihr mit einem Mal ungeheuer aufregend.
    Er kniff die Augen zusammen und sah sie an. »Sie haben noch nie auf einem Bike gesessen?«
    »Nein. Überrascht Sie das?«
    »Ich schätze, Sie sind nur bequeme geschlossene Taxis gewöhnt«, sagte er mit einem Achselzucken. »Ist ja auch vernünftig.«

    Er kurbelte die Klappe hoch, und Venera trat ängstlich einen Schritt zurück. Nicht die Leere war es, was sie erschreckte, sondern die Geschwindigkeit. Im Moment raste die Luft mit Sturmstärke an der Öffnung vorbei.
    »Der Wind wird uns aus dem Sattel reißen!«
    Er schüttelte den Kopf. »Der Dockaufseher lässt vor der Luke eine Abschirmung herunter. Dadurch schweben wir in den ersten Sekunden im Windschatten. Ducken Sie sich hinter mich - das Bike hat eine große Windschutzscheibe -, dann passiert Ihnen nichts. Außerdem fliege ich nicht volle Pulle - das wäre innerhalb der Stadtgrenzen zu gefährlich.«
    Er schwang sich auf das Bike und streckte die Hand aus. Venera verbiss sich ihr Grinsen, bis sie hinter ihm saß. Es gab Riemen für die Füße, aber mit den Händen konnte sie nur an ihm Halt finden. Sie schlang die Arme fest um seine Taille.
    Er drückte den Startknopf, und sie spürte, wie der Motor unter ihr zum Leben erwachte. Dann sagte er: »Sind Sie so weit?«, und griff nach oben, um das Bike von der Winde zu lösen.
    Sie fielen in die Tiefe, und für ein paar Sekunden wölbte sich die Unterseite des Habitats über ihnen. Da war die Abschirmung, eine lange Metallzunge, die nach unten hing, aber rasch hochgezogen wurde. »Kopf runter!«, rief der Flieger, und Venera presste das Gesicht an seinen Rücken. Dann röhrte der Motor so laut auf, dass er jeden Gedanken übertönte, die Vibration versetzte ihr Rückgrat in Schwingungen, und sie schwebten zwischen den Zylindern der Stadt frei im Nichts. Der Wind riss sie wohl doch nicht fort von diesem
Mann, also lehnte sich Venera vorsichtig zurück und sah sich um. Der Anblick entlockte ihr einen Seufzer des Entzückens.
    Ringsum standen Kondensstreifen reglos wie Dornen und Seile in der Luft. Da und dort flatterten Leinen mit bunten Fähnchen daran, und überall schossen Taxis, Menschen mit Flügeln und andere Bikes durch die Luft. Die vier Habitate mitsamt der Admiralität blieben bereits hinter ihnen zurück; sie schaute sich um und sah, dass eine einzelne Schleife des Seilbahnsystems, das um die Achse des riesigen rotierenden Zylinders herumführte, tatsächlich schlaff herabhing. Um die Lücke schwebten Männer, umgeben von Werkzeugen, die wie Sternbilder angeordnet waren, durch den Äther und debattierten, was nun zu tun sei. Venera schaute wieder nach vorne und lachte wie ein Kind, als sie spürte, wie sie unaufhaltsam nach oben auf das nächste Quartett zugezogen wurde.
    Sie flogen vorbei an dicken Stahltrossen und an den breiten, kreuzförmigen Speichen eines feuerradförmigen
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