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Virga 01 - Planet der Sonnen

Titel: Virga 01 - Planet der Sonnen
Autoren: Karl Schroeder
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die Hitze das Gesicht; schon die Luft war so heiß, dass ihm die Mundhöhle und die Lungen brannten. Er war nicht sicher, ob er einen Sprung zum Netz und wieder zurück in dieser Hitze überleben konnte.
    Du hast sie doch schon verloren. So wie noch jeden Menschen in seinem Leben. Eigentlich sollte er sich inzwischen daran gewöhnt haben.
    Verzweifelt versetzte er ihrem Körper einen leichten Stoß, und sie glitt ihm durch die Finger - Taille, Schultern,
zuletzt streifte ihre Hand noch die seine, dann war die Trennung vollzogen. Sie drehte sich noch einmal, schien ihn ansehen zu wollen. Ihr Gesicht war friedlich, und sie hatte die Lippen leicht geöffnet, als wollte sie ihm sagen, alles würde gut. Doch hinter ihr rollten Candesces mechanische Blumen ihre verspiegelten Blütenblätter ein. Und als alle Sonnen ringsum die Augen aufschlugen, verschwand Aubri Mahallan in ihrem Licht.
    Hayden wandte sich ab und bestieg das Bike.
    Er startete den Propeller, und der Brenner sprang sofort an. Während das Jaulen des Jets immer lauter und höher wurde, klammerte er sich an die vertraute Routine. Er lauschte auf das Geräusch, um zu beurteilen, ob der Motor rund lief, und stieß mit den Knien gegen den Zylinder, um abzuschätzen, wie viel Treibstoff noch übrig war. Hayden kannte sich aus mit Maschinen, und die hier hatte noch Leben in sich. Mit einigen Tankfüllungen konnte sie ihn bestimmt nach Rush zurückbringen.
    Und dann … Er klopfte auf seine Jackentaschen, die bis obenhin gefüllt waren mit Edelsteinen und Münzen aus Anetenes Schatz. Es würde wahrscheinlich reichen, um die Techniker zu bezahlen, die er brauchte. Die Bauteile für Aeries neue Sonne hatte er ja bereits. Vielleicht konnte er sogar auf die Hilfe der Widerstandsbewegung verzichten.
    Kein Lächeln erhellte sein Gesicht, als er das Gas aufdrehte und sich vom Besucherzentrum entfernte. Das Seil straffte sich mit einem Ruck und brachte das Netz auf gleiche Höhe mit dem Bike. Die Fracht würde ihn natürlich langsamer machen.

    Vielleicht erwarteten ihn weiter draußen die gehellesischen Schiffe. - Und wenn sie nun in das Besucherzentrum eindrangen? Er sollte doch besser die Tür schließen. Ein Blick zurück, der Eingang war bereits geschlossen. Daneben kauerte in einem Wirbelsturm aus Licht - Venera Fanning.
    Das Frachtnetz zog in wenigen Metern Entfernung an ihr vorbei. Ihr Blick begegnete dem seinen, doch er sah nur Trotz darin, keine Bitte. Er nickte und wandte sich demonstrativ wieder nach vorn. Gleich darauf ging ein leichter Ruck durch das Seil und das Bike. Venera hatte das Netz ergriffen und hielt sich daran fest.
    Er drehte das Gas noch weiter auf, und das Bike beschleunigte, aber langsam, zu langsam für das morgendliche Inferno, das aus Candesces Herz hervorbrach. Er glaubte, das vertraute Zischen der Ersten Sonne noch über das Jaulen des Bikes zu hören. Wenige Minuten später sah er nichts mehr, er konnte nur noch hecheln, und schließlich riss er sich die Kleider vom Leib, denn sie brannten auf der Haut, wo immer sie sie berührten. Dabei rauschte die Luft immer schneller vorbei. Bevor ihm die Sinne vollends schwanden, zwang er sich noch, seine Jacke und sein Hemd nicht wegzuwerfen. Das Licht versengte ihm die bloße Haut ebenso sehr wie zuvor der Stoff.
    Allmählich ließen die Qualen nach. Candesce griff aus und entzündete die Luft auf Hunderte von Kilometern im Umkreis, aber er war dabei, dem Feuertod zu entkommen - um Haaresbreite.
    Er schaute nach vorn und sah viele lange Schattenfinger an sich vorbeigreifen. Katamarane oder Bikes? Er drehte den Kopf und versuchte sie zu erkennen.

    Scharen von menschlichen Körpern, in Leichentücher gewickelt, trieben lautlos auf Candesce zu. Aubri bekam Gesellschaft. Hundert unscharfe Flecken, die Totenschiffe, verschwanden in der Ferne. Sie hatten ihre Fracht abgeladen und kehrten in den Hafen zurück.
    Als Hayden endlich Hemd und Jacke wieder übergestreift hatte und sich umsah, stellte er fest, dass er keine Ahnung hatte, wo er sich befand. Eigentlich hatten sie sich bei der Navigation an Leaf’s Choir orientieren wollen. Der Plan lautete, einen von Gehellens Nachbarn anzusteuern und von da aus nach Slipstream zurückzukehren. Nun steuerte er womöglich in die entgegengesetzte Richtung und wusste es nicht einmal.
    Es spielte keine Rolle. Irgendwann würde er den Weg schon finden. Die Tage und Nächte ohne Aubri an seiner Seite überstiegen seine Vorstellungskraft; dass er einmal ohne sie
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