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Violett ist erst der Anfang

Violett ist erst der Anfang

Titel: Violett ist erst der Anfang
Autoren: Judith Hueller
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Jule vor Enttäuschung im Moment nichts sehnlicher wünschte. Schluss. Raus aus dieser Scheiße. Gott, wie hasste sie es, verwundbar zu sein. Irgendwann öffnete sich die Tür einen Spalt. Ewa steckte den Kopf in den Raum. Ein zerknirschter Ausdruck lag auf ihrem Gesicht, während ihre Wangen zartrot leuchteten.
    »Darf ich … reinkommen?«, fragte sie vorsichtig.
    Jule schnaubte. »Rhetorische Frage, richtig? Stehst ja ohnehin schon halb drin.«
    Zögernd trat Ewa ein. Bluse, Jeans und Chucks, das Outfit des Tages hatte sie wieder an, als hätte es das erotische Desaster in Corsage gar nicht gegeben. Sie kaute am Daumen und besah sich das bedröppelte Besäufnis zu ihren Füßen. »Irgendwie schön.«
    Sag jetzt bitte die Fliesen, Bogacz. Oder verpiss dich!
    »Alles, was ich liebe auf einen Blick.«
    »Fiffi und Fusel?« Jule wedelte mit der Wodkaflasche. »Verzieh dich, Bogacz! Gehört beides mir. Oder was willst du hier? Frisches Bier aus dem Kühlschrank?«
    »Jule, darf ich … also …« Ohne eine Antwort abzuwarten, nahm Ewa neben ihr auf dem Boden Platz. Ihr Kinn stützte sie auf ihre angewinkelten Knie und fixierte ihre Schuhspitzen. Schweigen. Dann ein Räuspern. »Jule, du hast Recht. Ich weiß nicht, wie das ist, wenn man in Handschellen hängt.« Schweigen, und ein Schluck Schädelspalter für die Schweitzer. »Ich hab mal meine Nägel lackiert und durfte ein paar Minuten nichts anfassen«, sagte sie.
    Jule warf ihr einen verächtlichen Blick zu.
    »So-sorry. Das kann man wahrscheinlich nicht damit vergleichen«, sagte Ewa sofort. Schweigen. »Es ist bestimmt total schwierig, nicht durchzudrehen. Also cool zu bleiben.« Schweigen. »Jule?«
    Keine Reaktion. Stattdessen nahm Jule einn weiteren Schluck aus der Flasche.
    Hitzig riss Ewa ihr die Pulle aus den Fingern.
    »Ey! Spinnst du, Bogacz? Gib mir die zurück, das ist meine. Alicja hat gesagt, das … humpf.« Jedes weitere Wort erstickte Ewas Hand auf Jules Mund.
    »Jule, du wirst mir jetzt zuhören, okay?«
    »Umpf!« Hab ich ne Wahl?
    »Gut.« Ewa schien sich zu sammeln. »Ja, du hast allen Grund, sauer auf mich zu sein. Ich hab dich enttäuscht und verletzt. Und das tut mir wirklich entsetzlich leid.« Schweigen. »Aber Jule, du hättest es mir sagen müssen. Dass du das mit den Handschellen noch nie vorher … Mensch, wie hätte ich das wissen sollen? Bei Bodo hast du die Dinger ausgesucht. Und ich dachte, gut, wenn es dir gefällt. Ich hab nicht weiter darüber nachgedacht, verstehst du? Was es für dich bedeutet. Dass du da so drinhängst emotional. War Mist.«
    »Umpf.« Tja.
    »Krysztof und Jakub waren für mich kein Thema. Keine Ahnung, wie ich es dir erklären soll. Familie, Brüder, ich hab mich einfach irre gefreut, sie zu sehen nach so langer Zeit. Früher sind wir ständig zusammen um die Häuser gezogen, waren so oft im Urlaub und haben uns nackt in irgendwelche Seen geschmissen. In meinen Augen sind die null sexuell. Die reißen einen dummen Spruch und ich hau ihnen eine rein, fertig, und beim nächsten Mal ziehe ich sie mit irgendwas auf. Für dich sind die beiden fremde Männer, ey, hab ich vorhin im Trubel nicht gecheckt. Ich hab meinen Blickwinkel, nicht deinen, Jule.«
    »Umpf.« Hab ich bemerkt.
    »Jule, ich wollte dich nicht hängen lassen, wirklich nicht. Aber Situationen wie diese …« Ewa zögerte einen Moment. »Die wird es immer geben.«
    »Umpf?« Ey, die Handschellenscheiße wiederhole ich nicht! Wie gerne hätte Jule das klargestellt, wohl eher klargebrüllt, doch Ewas Finger verschlossen ihr noch immer die Lippen. Die Hand schien kälter zu werden, verschwitzter, als kämpfte Ewa nervös mit Lampenfieber.
    Ewa schluckte. »Ja, Jule. Momente, in denen ich mich einfach falsch verhalte. Anders, als du es von mir erwartest. Ich bin nicht perfekt. Und wir haben hier verdammt nochmal kein Drehbuch. Aber ich würde dir niemals absichtlich wehtun.« Schweigen, und die Worte wirkten nach. »Mir ist vorhin ganz viel bewusst geworden.«
    »Umpf!?« Tatsächlich? An welcher Stelle genau?
    »Vermutlich willst du es nach dieser Scheißaktion gar nicht hören, aber … Eigentlich ist es auch verrückt, so frisch, wie die Sache zwischen uns noch ist.«
    »Umpf.« Verstehe. Komm auf den Punkt.
    Ewa räusperte sich. »Was ich sagen will: Als du unter mir lagst, als ich dich geküsst habe, dich berührt habe, das war … total krass. Und ich meine jetzt nicht Sex und so. Du bist der absolute Wahnsinn, Jule, ehrlich! Vor Krysztof und
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