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Violett ist erst der Anfang

Violett ist erst der Anfang

Titel: Violett ist erst der Anfang
Autoren: Judith Hueller
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Stößchen auf all die Scheiße. Ein großzügiger Schluck, rums in den Schädel, rein in die Blutbahn. Nicht denken, nicht fühlen. Vergessen. Ein Geräusch schreckte sie auf.
    »Liebes, lass dich nicht stören.« Alicja wuselte zur Tür herein und direkt zu einem der Schränke. »Ich stell dir nur eben einen Teller raus. Auf dem Herd steht Bigos. Du bedienst dich einfach, wenn du Hunger hast, ja? Oder soll ich dir gleich was auftun?« Ein abwartender Blick, den Jule mit einem genervten Augenrollen abbügelte. »Heißt das nein?«
    »Ich wäre jetzt gerne allein.«
    »Natürlich.« Alicja nickte. »Willst du eine Tasse?«
    »Ich trink aus der Flasche.«
    »Soviel du willst. Und falls du später doch noch irgendwas werfen möchtest – oben rechts im Schrank. Greif zu.«
    Oh. Ach so. »Danke.«
    »Gern. Tob dich aus.« Alicja lächelte. »Nur schmeiß bitte wenn möglich alles gegen diese Wand hier. Die andere haben wir letzte Woche frisch gestrichen. Immer diese Amateure, das regt mich so auf. Mein Strauß, ja? Ich habe mir Muster liefern lassen und …«
    »Nimm es mir nicht übel, Alicja«, grätschte Jule dazwischen und hielt ihren Ärger nur mühsam im Zaum. »Deine Hochzeit interessiert mich akut einen Dreck.«
    »Verstehe.« Mit einem Seufzen wandte sich die Gutemine zum Gehen. An der Tür hielt sie inne. »Liebes, eine Sache noch.«
    Ihr Blick sagte alles. Achtung, Alicja im Kalenderspruchmodus. Alle Mann in Deckung. Zur Nervenberuhigung tankte Jule eine Ladung Schädelspalter, ehe sie Alicja herausfordernd anfunkelte. »Zeit für deinen Klassiker? Beziehung heißt Verantwortung? Pfff. Sag das gefälligst Ewa. Ey, die scheitert an den Basics, nicht ich!«
    »Aus Wunden werden Narben«, sagte sie nur.
    »Aha.« Prost!
    Alicja schwieg einen Moment. »Und Narben bleiben, Jule. Und sie schmerzen von Zeit zu Zeit. Keine Ahnung, was oder wer dich so verletzt hat, und wie groß die Narbe da drin ist. Spielt keine Rolle. Dein Herz schlägt. Es ist robust, verlass dich drauf. Du musst es nicht schützen. Und du kannst es auch gar nicht. Es pocht und liebt, also lass es lieben.«
    Das Flirren vor Jules Augen kehrte zurück. Instinktiv ballte sie die Faust, während sich ihre andere Hand noch fester um den Flaschenhals krampfte. Die Worte hallten nach. Wie saudumm sie klangen, wie naiv. Oder doch erschreckend simpel und wahr? In ihr wummerte es wie wild, als wollte ihr Herz morsen. Glaub der Frau, ich wupp das schon. Matt ließ Jule die Schultern sinken und schluckte schwer. »Ich will das nicht hören.«
    Alicja gluckste. »Hach ja. Nicht nur in diesem Punkt seid ihr euch so ähnlich, du und Ewa.«
    »Raus!«, brüllte Jule unbeherrscht, bereute es sofort und schickte noch ein »Bitte« hinterher.
    »Natürlich, Liebes.« Ein mildes Lächeln lag auf Alicjas Lippen. »Trink so viel du willst. Żubrówka haben wir kistenweise im Keller. Nur eine allerletzte Sache noch.« Sie zögerte. »Mein Piotr ist ein Traummann, der beste Mann, den ich mir für meine Zukunft wünschen kann.«
    »Aha. Schön.«
    »War nicht immer so. Das Leben schweißt zusammen, Liebes. Und selbst den kostbarsten Diamanten musst du erst schleifen. Ewa ist einer.« Und weg war sie.
    Mit schwirrendem Schädel blieb Jule zurück. Allein. Okay, stimmte nicht ganz, Oskar war bei ihr. Erschöpft ließ sich Jule auf die Küchenfliesen rutschen, lehnte sich gegen die Anrichte, und Wauzi schmiegte seinen Kopf in ihren Schoss. Mit Hundeblick bettelte er um eine liebevolle Fellmassage. Ach, Kleiner. Wir zwei verstehen uns. Leinen und Fesseln sind Mist, oder? Jule kauerte und kraulte, kippte dabei Schubrrr in sich. Keine Ahnung, wie viel. Aber es tat gut. Denn ja, verdammt, die Kurzpredigt von Alicja nagte in ihr. Keine Angst vor neuen Narben, sondern unbekümmert weiterlieben. Und zwar Edelstein Ewa, der momentan mehr klotziger Stein war denn edel. Noch.
    Würde mit der Zeit tatsächlich alles besser werden? Wie sollte Ewa sie denn kennen und verstehen, nach nicht einmal zwei Tagen Beziehung? Allerdings ging es hier doch um Grundsätzliches. Jeder halbwegs einfühlsame Mensch wäre eingeschritten bei dieser Handschellennummer und hätte sich schützend vor Jule geschmissen, so wie Alicja. Vielleicht war Ewa ein Diamant, aber womöglich kein Schmuckstück, das zu Jule passte? Prost.
    Einfach weiterlieben? Leicht gesagt. Leicht getan, denn das wummernde Ding in ihr machte ohnehin, was es wollte. Ewa … Die ließ sich nicht Knall auf Fall abhaken, auch wenn sich
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