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VILM 02. Die Eingeborenen (German Edition)

VILM 02. Die Eingeborenen (German Edition)

Titel: VILM 02. Die Eingeborenen (German Edition)
Autoren: Karsten Kruschel
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ganzen Sektor und weit darüber hinaus. Nur Gaston Vliesenbrink war seltsam ruhig; er dachte an seinen längst für tot erklärten Neffen Jonathan.
    »Ich werde noch in dieser Nacht starten«, erklärte Tullama, »das werde ich wohl ohne dich tun müssen ...«
    Christoff reagierte nicht auf die verborgene Frage. Man trank und schwatzte, ehe man sich trennte. Es blieb ein schaler Geschmack zurück. Um Mitternacht stand Christoff an der Mauer des Steingartens. Sie war aus kühl glitzernden Kristallen gefügt, wie Sascha gesagt hatte, und das weiche Licht warf kaum Schatten. Christoff sah sich um, ehe er seine Tasche im Eingang des Hauses abstellte. Er achtete nicht darauf, dass neugierige Nachbarn ihn beobachteten. Aus der Zustellkiste der Rohrpostverbindung holte er seine Lotsenlizenz, das Einzige, was er mitnahm. Er ging langsam und sah sich nicht um. Sascha würde alles klar sein – die Reisetasche, die offene Postanlage, die Hälften der Rohrposthülse. Keine Lizenz.
    Als in der Armorica die Startvorbereitungen auf vollen Touren liefen, stand Tullama völlig überrascht dem Lotsen gegenüber, der sich zum Dienst meldete. Dem Kapitän fiel Sascha ein, die von ihrer Schicht kommen und sich allein finden würde. Er schwieg. Fragte nicht. Im Grunde genommen freute er sich, dass er den berühmten Lotsen hatte. Das war der halbe Erfolg der nicht sonderlich aussichtsreichen Suche nach der Vilm van der Oosterbrijk. Gaston Vliesenbrink übrigens hatte sich gemeldet und seine Ansprüche auf den Lotsen zurückgestellt. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass Christoff es sich anders überlegte, sollte er besser nach dem verschwundenen Weltenkreuzer suchen. Im riesenhaften Körper des Karnesen schlug eben doch ein weiches Herz, nicht davon zu überzeugen, dass Jonathan nicht zu retten sein sollte. Erst als weit nach drei Uhr – Atibon Legba war nur noch ein Punkt auf den Bildwänden – der Weltenkreuzer langsam zu beschleunigen begann, fragte Tullama nach den Gründen des Lotsen. Er hielt es nicht mehr aus. Wie konnte Christoff so herzlos und kalt sein, Sascha einfach sitzenzulassen?
    Der Lotse schwieg. Er schwieg lange. Dann versuchte er zu lächeln, was missriet; sein Gesicht war eine erschreckende Grimasse aus Schmerz und Angst. Tullama stand erstarrt.
    »Ich weiß ja«, sagte Christoff, »dass ich so etwas wie ein Glückskind bin. Es heißt, ich hätte einen heißen Draht zum lieben Gott. Das ist Blödsinn, mal davon abgesehen, dass Leute wie Schlunke und seine Päpste für den lieben Gott eher Partner sind. Ich habe einfach – Glück.« Seine Stimme klang bitter. Tullama sah den Lotsen aufmerksam an. Dessen Lippen bebten, ehe er weitersprach. »Manche halten es für eine Kette der unwahrscheinlichsten Zufälle, die es je gegeben haben mag, andere für eine seltene Erbanlage. Ich bin bei Nervenärzten und Hirnspezialisten gewesen und habe mich aufs Genaueste untersuchen lassen. Ich bin normal. Sagen die Ärzte. Dachte ich auch. Ich war ein Raumfahrer wie alle anderen gewesen – erst als ich auf dem Rückweg von den Grauen Sonnen zwei Drittel meines Treibstoffes verloren hatte und direkt durch die Nebula sciuri fliegen musste, hatte ich zum ersten Mal außergewöhnliches Glück. Das brauchte ich auch, denn ich war gezwungen, die kürzeste Route zu nehmen. Ich konnte nicht glauben, dass mir ein guter Stern seither nichts als Glück beschert; doch so sah es aus.« Er winkte ab, und diese Geste war so verächtlich und resigniert, dass Tullama es kalt seinen Rücken hinabrieseln spürte.
    »Erzähle mir alles«, bat er, »eventuell wird dir leichter.«
    »Kaum«, erwiderte Christoff. »Schaden kann es nicht.« Er drehte sich um und schaute auf irgendeine Bildwand. Tullama war sicher, dass der Lotse nicht bemerkte, was angezeigt wurde. »Ich weiß, dass du mich für ein kaltes, seelenloses Vieh hältst«, fuhr Christoff langsam fort, »und ich weiß, was ich Sascha angetan habe, indem ich weglief. Aber anders konnte ich nicht handeln. Das war mein Ausweg.«
    »Wegzulaufen?«, fragte Tullama verständnislos. »Wovor?«
    Christoff fuhr herum und sah den Kommandanten wütend an. »Ist es euch«, sagte er leise, »in den Sinn gekommen, dass ich irgendwann bezahlen müsste?«
    »Wofür?«
    »Für diese unwahrscheinlichen Zufälle, die mich umgeben und die mir helfen. Für Routen an unheimlichen kosmischen Nebeln entlang, die niemand vor und nach mir jemals befliegen konnte. Für zufällig geahnte Ruhepunkte auf von Erdbeben
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