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Villa Oma

Villa Oma

Titel: Villa Oma
Autoren: Ilse Kleberger
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warum hat man mich eingesperrt?’
    Der Mann lächelte spöttisch. ,Das wissen Sie doch ganz genau.’ Er lächelte noch spöttischer, als mein Freund ihm seine Geschichte erzählte, und gab vor, von dem Zettel, den man meinem Freund abgenommen hatte, nichts zu wissen.
    ,Ich möchte den deutschen Konsul sprechen’, rief mein Freund, ,und Señor Esteban.’
    Am anderen Tag kam der Mann wieder in seine Zelle und sagte: ,Der Konsul will nichts mit jemandem wie Ihnen zu tun haben, und ein Señor Esteban mit einer Tochter Dolores wohnt nicht an der angegebenen Adresse.’
    Mein Freund war verzweifelt. Noch drei Tage saß er in der Zelle, ohne daß sich jemand um ihn kümmerte. Dann bedeutete ihm der Wärter, der ihm sonst das Essen brachte, ihm zu folgen. In einem Büro gab ein streng aussehender Beamter ihm den Zettel zurück. Dann kamen die beiden Polizisten, die ihn gefangengenommen hatten, brachten ihn zu einem Auto und fuhren mit Sirenengeheul mit ihm davon bis zum Hafen, wo sie ihn auf das Deck eines Schiffes brachten, das nach Deutschland fuhr.
    Die Rückfahrt war für meinen Freund nicht so lustig wie die Hinfahrt. Zwar hatte er die gleichen Möglichkeiten, sich zu amüsieren, aber er mußte dauernd an das Geheimnis des Zettels denken. Es gab auf dem Schiff ein paar Leute, die deutsch und spanisch sprachen, aber er hatte Angst, sie zu fragen, was auf dem Zettel stand, um nicht wieder so unheimliche Dinge zu erleben wie in Montevideo. Doch sobald er heimkam, wollte er erfahren, was auf dem Zettel stand. Ihm fiel plötzlich ein, daß ein Freund mit Namen Alfred lange Zeit in Spanien gearbeitet hatte. Der würde ihm die Schrift auf dem Zettel übersetzen können. Er telegrafierte Alfred vom Schiff aus, daß er ihn auf dem Hafenkai bei Ankunft des Schiffes erwarten möge.
    Diesmal wurde meinem Freund die Fahrt viel zu lang.
    Aber schließlich fuhren sie doch in den Hamburger Hafen ein, und als sie sich dem Kai näherten, sah mein Freund unter den Wartenden auch Alfred stehen. Endlich würde er erfahren, was ihm so seltsame Erlebnisse eingebracht hatte. Er zog den Zettel aus der Tasche und winkte Alfred damit. Aber plötzlich ergriff eine Windbö das Papier, wirbelte es hoch und dann abwärts. Es schaukelte noch einen Augenblick auf den Hafenwellen, dann versank es.“
    Der Wachtmeister schwieg. „Aber, aber“, riefen die Kinder aufgeregt, „hat er denn nie wieder was von dem Südamerikaner gehört, hat er nun nie, nie erfahren, was auf dem Zettel stand?“
    Der Wachtmeister schüttelte den Kopf. „Leider nicht. Als er nach Hause kam, lag in seiner Wohnung ein Umschlag mit einem sehr guten Honorar, aber ohne Absender.“
    „Oh“, seufzte Frau Hubermeier, „was war das für eine aufregende Geschichte. Ich bin bald gestorben vor Angst, und wie gut Sie sie erzählt haben, Herr Wachtmeister. Da kam einen ja richtig das Gruseln an.“
    Die Kinder konnten nicht fertig werden mit Vermutungen, was auf dem Zettel gestanden hatte, bis plötzlich eine winzige Faust mit erheblichem Krach auf den Küchentisch sauste.
    „Jetzt will ich aber endlich meine Geschichte erzählen!“ schrie Rolf mit funkelnden Augen. Da schwiegen alle sofort still, denn sie wollten nicht zeigen, daß sie nicht geglaubt hatten, daß Rolf schon eine Geschichte erzählen könnte. Doch Rolf fing sofort an:
    „Es war einmal ein klitzekleines Marienkäferchen, das hatte zwei Punkte“, Rolf streckte zwei Finger in die Luft, „das heiratete ein klitzekleines Marienkäferfrauchen, das hatte drei Punkte.“ Jetzt streckte Rolf drei Finger in die Luft.

    „Und sie kriegten ein klitzekleines Marienkäferkindchen, das hatte vier Punkte.“ Und Rolf streckte seine kleine Hand mit allen Fingern vor und ließ, als er seinen Irrtum bemerkte, rasch den Daumen verschwinden .
    „So, nun ist die Geschichte aus.“
    Alle bewunderten Rolf sehr, vor allem auch, daß er schon ganz richtig wußte, was zwei, drei und vier war. Nun hatte jeder seine Geschichte erzählt, aber das Fest war noch lange nicht zu Ende. Schließlich wurde sogar getanzt. Am Schluß des Festes tranken Jimmy und Oma mit Himbeersaft Brüderschaft, und Jimmy durfte von nun an „Oma“ sagen und Oma „Jimmy“ und „Du“. Der letzte Ausspruch an diesem Abend stammte von Frau Hubermeier:
    „Wenn man mit euch Pieselangs zusammenlebt, braucht man gar nicht mehr fernzusehen, ihr seid viel interessanter.“

Agathe

    In der Klasse war es still. Man hörte nur das Kratzen der Federn auf dem Papier
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