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Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Titel: Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)
Autoren: Oliver Susami
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aus, als versuche er, sich mit seinen Fingernägeln zu rasieren.
    „Ich geh mal aufs Klo.”
    Er klingt ein bisschen beleidigt. Vielleicht sollte ich doch netter zu Alex sein. Wenn er nur nicht immer die gleichen Sprüche bringen würde.
    „Okay, ich halte die Stellung.” Auch so ein blöder Spruch, diesmal von mir. Und der Kaffee schmeckt tatsächlich so, wie Spülwasser riecht ... zumindest ein bisschen. Ich mache immer zu starken oder zu schwachen Kaffee, ich kriege es nicht hin, die richtige Menge Pulver zu nehmen. Zu Hause haben wir so ein Ding mit Pads … teuer und umweltschädlich, dafür idiotensicher.
    Es ist erstaunlich, was Leute im Schlaf alles anstellen. Schon wieder kratzt sich einer am Kopf. Und die Frau in Zimmer drei fährt mit Daumen und Zeigefinger immer wieder eines der Kabel entlang, die sie mit den Aufzeichnungsgeräten verbinden. Auf dem grieseligen Schwarzweißbild kann ich die Farbe des Kabels nicht erkennen. Ich glaube, es ist das für die Hirnströme. Hoffentlich zieht sie nicht daran.
    Ich habe schon beobachtet, dass Leute sich im Bett aufgesetzt haben und aufgestanden sind. Einer hat mal nachts angefangen, Gymnastik zu machen, sogar Kniebeugen. Am nächsten Tag wusste er nichts mehr davon. Kein Wunder, dass sich so jemand am nächsten Morgen nicht ausgeruht fühlt. Eine Kollegin hat mir mal erzählt, dass einer nachts aufgestanden ist, seinen Schwanz herausgeholt und in den Mülleimer gepinkelt hat. Als er sein kleines Geschäft erledigt hatte, ist er einfach wieder ins Bett.
    Ich nehme einen Schluck Kaffee und gähne.
     
    ***
     
    Jetzt ist es halb vier. Scheiß Nachtschicht, mir tun die Augen und der Hintern weh. Vielleicht sollte ich mehr essen, meine Popobacken aufpolstern. Und wo zum Teufel bleibt Alex? Ist er beim Kacken eingeschlafen? Rutscht er gerade schnarchend von der Schüssel? Mir ist ein bisschen unheimlich zumute, so ganz alleine vor den Monitoren. Um diese Zeit ist es ja völlig still in dieser Abteilung, auch auf den Fluren ist niemand. Ich dachte, das wäre interessanter, hier im Schlaflabor. Aber die meiste Zeit sitzt man nur da, schaut sich schlafende Leute an und darf selbst nicht schlafen.
    Ich ziehe mein Handy aus der Tasche. Vielleicht hat mir ja Paula geschrieben. Mal sehen ... nichts. Die schläft und sabbert das Kopfkissen voll … das macht sie immer. Manchmal sabbert sie so stark, dass sie davon aufwacht, meine Süße.
    Wieder der Blick auf die Monitore, was auch sonst. Der Rückenlieger, der sich vor einigen Minuten auf die Seite gedreht hatte, liegt mittlerweile auf dem Bauch. Hoffentlich reißt er nicht irgendwelche Kabel ab. Manche Leute wickeln sich regelrecht ein in die Kabel, drehen sich um 360 Grad.
    Als ich das letzte Mal die Nachtwache hatte – das ist jetzt fast zwei Wochen her – da passierte etwas ziemlich Unheimliches:
    Also, es ist kurz nach fünf, da steht einer der Patienten auf und bleibt neben dem Bett stehen. Das ist nichts Ungewöhnliches, das passiert. Aber dann geht er auf die Kamera zu, bleibt vor der Kamera stehen und schaut direkt hinein. Ich habe also nur noch sein Gesicht auf dem Schirm, die Augen hat er halb geöffnet. Etwa eine Minute schaut er in die Kamera, dann senkt er ganz langsam den Kopf. Ich erinnere mich, dass der Mann eine kahle Stelle mitten auf dem Schädel hatte, etwa so groß wie eine Zweieuromünze. Eine Minute steht der Mann so da ... als ob er den Boden anschaut, dann hebt er den Kopf und schaut wieder mit halb geöffneten Augen in die Kamera. Scheiße, mir lief es kalt den Rücken herunter. Ich dachte wirklich, der schaut mich an … was natürlich nicht sein kann. Nach einigen Minuten geht er zurück zum Bett, legt sich hinein und schläft einfach weiter. Und am nächsten Morgen: „Nee, davon weiß ich nichts. Also da würde ich mich doch erinnern, wenn ich aufgestanden wäre. Hab' ich echt in die Kamera geschaut?”
    Alex kommt zurück. Ich höre müde Schritte auf dem Flur, dann die Türklinke und das Schleifgeräusch der zu niedrig eingehängten Tür auf dem Linoleum.
    „Und? Was Spannendes passiert? Irgendwelche Schlafwandler?
    „Nö, alles wie gehabt. Immer das gleiche Programm.” Ich zeige auf einen der Monitore. „Der da hat sich gerade umgedreht.”
    „Aha”, sagt Alex. Er schlurft zu seiner Kaffeetasse und schiebt seinen Hintern auf die Arbeitsplatte der kleinen Kochzeile. Dieser Winzling von Küche beansprucht etwa ein Viertel des acht Quadratmeter kleinen Raumes.
    „Wieso müssen wir
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