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Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Titel: Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)
Autoren: Oliver Susami
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Geschichte, die sich sorgfältig an das mir Erzählte hält, die nichts Wesentliches weglässt und nichts enthält, was lediglich Produkt meiner Autorenphantasie wäre.
    Während ich an meinem alten ThinkPad sitze und die schon leicht speckigen Tasten drücke, denke ich darüber nach, ob ich Sie als Leser mit den Gedanken belästigen soll, die ich mir zu Lenas Geschichte gemacht habe. Ich könnte mich ja in wild ausufernden, mit wichtig klingenden Fremdwörtern behängten Spekulationen über die Gründe der mir erzählten Phänomene ergehen. Ich könnte Ihnen gut klingenden Hypothesen oder gar Erklärungen auftischen, mit meinem (durchaus lückenhaften, aber das wissen Sie ja nicht) Wissen prahlen und mit treffenden Worten die Unebenheiten, Kanten und Brüche in Lenas Geschichte glatt schmirgeln. Aber das werde ich nicht tun. Es geht hier nicht um meine Spekulationen, es geht um das, was mir berichtete wurde.
    Eine Ausnahme möchte ich mir allerdings zugestehen. Ich bin ja promovierter Soziologe und kenne ein paar Leute aus benachbarten Fächern, mit denen ich mich über Lenas Erlebnisse unterhalten konnte. Ein Bekannter, der momentan in Ethnologie (früher eher „Völkerkunde“ genannt) promoviert, erklärte mir beim abendlichen Bierchen, dass in ganz verschiedenen kulturellen Traditionen Techniken existieren, die das Ziel haben, das menschliche Dasein über den Tod hinaus zu verlängern. Das Verteilen von Bestandteilen des menschlichen Körpers (Blut, Haare, Zähne, Spucke, Haut, abgeschnittene Fingernägel) an einem bestimmten Ort erinnere ihn an magische Techniken, wie sie im südamerikanischen und insbesondere haitianischen Voodoo praktiziert werden. Auch existierten im südosteuropäischen Raum diverse magische Verfahren mit dem Ziel, einen Toten mithilfe von Bestandteilen seines Körpers zu beschwören und an einen bestimmten Ort zu binden.
    Natürlich musste ich daran denken, dass Frau Diehl und ihre Schwester Margarete nach dem Zweiten Weltkrieg in Varietés auftraten. Möglicherweise kamen die beiden jungen Frauen (oder zumindest Margarete) durch Schausteller und Künstler aus dem südost-europäischen oder südamerikanischen Raum mit magischen Praktiken in Berührung, die sie dann selbst ausübten. Aber wie gesagt, das ist nur Spekulation und spekulieren möchte ich eigentlich nicht.
    Stattdessen wende ich mich ein letztes Mal an Lena: Vielen Dank, dass du mir deine Geschichte erzählt hast! Vielen Dank dafür, dass ich für einige Monate in deine Haut schlüpfen durfte! Es hat mir viel Spaß gemacht, dieses Buch zu schreiben.
     
    En- …
     
    Moment, eines noch. Dann ist aber wirklich Schluss und Sie, verehrte Leser, können sich wichtigeren Dingen als dem Lesen dieses Buches widmen.
    Bei unserem letzten Telefonat gestand mir Lena, dass sie seit ihren Erlebnissen im Herbsthaus fast immer mit Licht schläft. Sie hat sich ein kleines Nachtlicht gekauft und sogar ausgerechnet, um wie viel die schwache nächtliche Beleuchtung ihre monatliche Stromrechnung erhöht. Es sind weniger als 70 Cent.
    Falls Sie, verehrter Leser, also auch zu denen gehören, die sich manchmal nicht ganz sicher sind, was da in der Dunkelheit lauert … es ist gar nicht so teuer, nachts etwas zu sehen.
     
    Ende

Weitere Bücher von Oliver Susami:
     
    S3
    Eine Annäherung an das Unheimliche
     

     
    Anfang Februar 2008 erzählte mir eine Mitstudentin, ihr sei im Untergeschoss der Universitätsbibliothek, im Buchbereich S3, etwas Unheimliches passiert. Schon zuvor hatte ich von unerklärlichen Ereignissen in diesem Bereich gehört. Ich entschloss mich, eine Art „Untersuchung“ zu S3 zu machen. Ich wollte herausfinden, was es mit diesem Bereich auf sich hat.
    Zwischen Februar und April 2008 führte ich mehrere Interviews mit Studenten und Mitarbeitern der Bibliothek, sammelte Berichte unheimlicher, unerklärlicher Erlebnisse. Auch verbrachte ich selbst viele Abende alleine auf S3. Es herrscht eine unheimliche Atmosphäre da unten. Es ist dunkler als in anderen Bereichen der Bibliothek, mir kommt es auch kälter vor. Und gerade abends ist es sehr ruhig, stundenlang keine Geräusche. Als gebe es keine anderen Menschen mehr, als wäre man allein auf der Welt.
    Mitte April 2008 begann ich von S3 zu träumen. Unter dem Eindruck eines Albtraumes entschloss ich mich, keine Interviews mehr zu führen und keine Zeit mehr auf S3 zu verbringen. Ich wollte Abstand gewinnen. Doch die Sache ließ mich nicht los. Mittlerweile war ich mir sicher,
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