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Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Titel: Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)
Autoren: Oliver Susami
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Pander, wenn jemand so ausgeprägte Wahnvorstellungen hat, dann ist es mit Wegziehen nicht getan. Da ist dann schon eine psychiatrische Behandlung indiziert.“
    „Ja, natürlich … ich hab das total unterschätzt“, sage ich. Während ich es sage, da denke ich: Du hast doch keine Ahnung, du Grünschnabel. Hör endlich auf, hier einen auf Experte zu machen, nur weil du in der Polizeischule ein paar Fremdwörter aufgeschnappt hast.
    „Und diese ältere Frau, diese Frau Diehl … hat die gesehen, wie Sie von Ihrer Lebensgefährtin angegriffen wurden?“
    „Nein, also wie gesagt, die kam erst dazu, als Paula mich schon geschlagen hatte. Wir haben da dünne Wände und die hat wohl gehört, dass da irgendwas los ist … dass wir uns streiten. Also ich hätte wirklich nie gedacht, dass Paula zu so etwas fähig ist.“
    Der junge Polizist kritzelt auf seinem Blatt. Dann legt er den Stift weg, beißt sich auf die Unterlippe und betrachtet sein Werk. Während er liest, drückt er mit der Zunge seinen Lippen nach außen.
    „Sind Ihre Kollegen schon unterwegs zu ihr?“, frage ich in seine Betrachtung hinein. „Wissen Sie, ich habe wirklich Angst, dass Paula sich was antut.“
    „Ja … also Sie haben ja ausgesagt, dass Ihre Lebensgefährtin mit Suizid gedroht hat, da fahren wir dann natürlich gleich hin. Und außerdem haben wir hier ja eine nicht unerhebliche Körperverletzung.“
    „Das ist mir egal“, antworte ich, „die Verletzung ist mir egal. Ich will nur, dass Sie Paula da raus holen. Ich habe wirklich Angst um sie, sie sollte in diesem Zustand nicht alleine sein.“
    „Keine Sorge, die Kollegen sind schon dort. Das ist ja nicht weit.“
    Der Polizist schiebt die Blätter zur Seite und lehnt sich im Stuhl zurück. Bevor er spricht, kratzt er sich am Kopf.
    „Wirklich komisch, was sich Leute alles einbilden. Ich hatte mal 'ne Tante, die dachte, dass sie von ihrem verstorbenen Ehemann verfolgt wird, dass der nachts immer an ihrem Bett steht und von ihr verlangt, dass sie ihm was kocht.“
    Ich sage nichts dazu. Was bitte will er jetzt von mir hören? Ich trinke von meinem lauwarmen Orangensaft und merke, dass ganz langsam der Schmerz kommt. Die Naht beginnt zu spannen, ein bisschen juckt es auch.
    „Was hat Ihre Lebensgefährtin noch gesehen? Irgendwelche Tiere?“
    „Sie hat einen großen, aufrecht stehenden Affen gesehen … so hat sie mir das erzählt. Der stand wohl auch nachts vor ihrem Bett. Als ich ihr nicht geglaubt habe, da ist sie wütend geworden. Und später hat sie dann noch ein Kind gesehen, auch vor unserem Bett.“
    Der Polizist zieht eine Augenbraue hoch.
    „Wie kommt man denn auf einen Affen? Also wenn man sich irgendwelche verstorbenen Leute einbildet, das ist ja noch irgendwie nachvollziehbar. Aber warum bildet man sich ein, dass nachts ein Affe zu einem ans Bett kommt?“
    Ich stelle vorsichtig, fast geräuschlos, das Glas Orangensaft ab. Am Rand klebt ein Fetzen Fruchtfleisch. Das Gelb des Fleisches ist ein klein wenig heller als das Gelb der Flüssigkeit.
    „Kurz nachdem wir eingezogen sind, hat Paula sich die Kellerabteile angeschaut und da hing irgendwo ein altes Affenkostüm. Ich glaube, das war der Auslöser, das Ding hat irgendwie Eindruck auf sie gemacht und dann fing das mit den Halluzinationen an … ich versteh das auch nicht so ganz. Ich hätte wirklich nie gedacht, dass … hm.“
    Der Polizist macht ein betroffenes Gesicht und nickt – beides gleichzeitig.
    „So was kann man als normaler Mensch wahrscheinlich nicht verstehen, also wie so was kommt. Da läuft dann irgendwas im Hirn falsch und dann kriegt man so Paranoia … das kann man gar nicht richtig erklären.“
    Ich nicke und mache mhm. Mir geht der Mann auf die Nerven. Er ist nicht älter als ich und lässt hier den abgebrühten Bullen raushängen. Es ist nicht das, was er sagt, es ist der Tonfall, in dem er es sagt. Der Typ hat zu viele amerikanische Krimis gesehen.
    „Könnten wir dann langsam Schluss machen? Ich bin total erschöpft … das war alles viel zu viel.“
    „Ja, natürlich. Wo schlafen Sie die kommende Nacht?“
    „Ich gehe erst einmal zu meinen Eltern. Dort können Sie mich auch telefonisch erreichen. Mein Handy habe ich leider fallen lassen, als mich meine Lebensgefährtin angegriffen hat.“
    „Ich kann die Kollegen anrufen, damit die das holen. Vielleicht sind die ja noch vor Ort. Wenn Sie mir nur sagen-“
    „Nein, ist schon okay“, unterbreche ich ihn. „Das ist jetzt nicht so
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