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Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Titel: Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)
Autoren: Johannes Clair
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wieder im Gefecht, und der Foxtrott und der Hotel Zug lieferten sich heftige Kämpfe mit den Aufständischen.
    Muli schickte mich zu den Belgiern rüber, um deren Lage zu erkunden. Als ich zwischen den Baumreihen verschwunden war, hörte ich hinter mir Schüsse. Über Funk fragte ich Muli, ob ich zurückkommen sollte. Ich war froh, als er mich weiter zu den Belgiern schickte.
    Die Stellungen der afghanischen Soldaten lagen nordwestlich von uns am Dorfrand. Sie hockten gelassen auf dem Boden, unterhielten sich und scherzten. Ich wurde freudig begrüßt. Das Fahrzeug der Belgier konnte ich sofort sehen. Sie hockten entspannt in den Sitzen, hatten die Türen geöffnet und betrachteten den Monitor der Waffenanlage auf dem Dach. Über Funk hatte ich mitbekommen, dass Muli wieder Artilleriefeuer beantragt hatte. Weil die Belgier und Afghanen fast im rechten Winkel zu unserer eigenen Stellung lagen, hatten sie einen guten Überblick über den Graben, der sich an der Baumreihe gegenüber von uns befand. Sie berichteten, dass man die Feinde über den Zoom der Waffenanlage manchmal sehen konnte, wenn sie den Kopf weit herausstreckten. Gestern hätten wir durch unseren Beschuss schon zwei erwischt, erwähnten sie anerkennend. Als der Abschuss der Artillerie gemeldet wurde, blickte ich gespannt auf den Bildschirm. Als die erste Granate mit lautem Krachen aufschlug, zitterte der Boden. Auf dem Bildschirm war nur noch eine große Staubwolke erkennbar.
    Yeah, fucking amazing, jubelten die Belgier mit ihrem französischen Akzent und klatschten in die Hände.
    Doch als sich der Staub wieder verzog, konnten wir auf dem Bildschirm noch etwas erkennen. Ein Kopf tauchte aus dem Graben auf, dann eine Schulter. Schließlich konnte ich den Oberkörper eines Mannes sehen, der den rechten Arm ausstreckte. Er krümmte sich und verzog das Gesicht. Er schien starke Schmerzen zu haben, als er sich hin und her wand. Plötzlich tauchte ein zweiter Kopf auf. Ein bärtiger Mann hatte den Verwundeten an den Schultern gepackt und wollte ihn fortschleppen. In diesem Moment schnellte mit einem lauten Pfeifen die zweite Granate heran. Die beiden Männer blickten nach oben, als ob sie das gewaltige Geschoss auf sich zurasen sahen. Oder als ob sie sich an den Himmel wandten. So standen sie für den Bruchteil einer Sekunde regungslos in diesem Graben, der eine im Arm des anderen, und starrten nach oben. Mir wurde bewusst, was gleich passieren würde, aber ich fühlte nichts. Es war ihre Entscheidung gewesen, gegen uns zu kämpfen, und solche Dinge geschahen nun mal im Krieg. Als das zweite Geschoss mit brutaler Gewalt aufschlug, blieb nur eine Staubwolke auf dem Bildschirm zurück.
    Auch heute wurde wieder eine Versammlung mit den einheimischen Führern abgehalten. Muli teilte uns nach meiner Rückkehr mit, dass sogar der Dorfälteste von Isa Khel daran teilnahm. Zunächst kam es mir ein wenig absurd vor, den Führer dieses Dorfes einzuladen. Des Dorfes, wo am Karfreitag all die schrecklichen Dinge passiert waren. Aber vielleicht war genau das die einzige Möglichkeit, die unterschiedlichen Interessen all dieser Clans und Dorfgemeinschaften zu berücksichtigen. Die einzige Möglichkeit, unsere Feinde auf unsere Seite zu ziehen. Denn wenn wir einmal aus diesem Land abzogen, würden sie immer noch hier sein.
    Auch diese Besprechung ergab, dass es bisher keine zivilen Opfer gegeben hatte, obwohl wir wussten, dass in Quatliam noch Menschen in ihren Hütten/Häusern ausharrten. Denn nicht alle waren vor Beginn der Kämpfe geflohen.
    Nach meiner Rückkehr in unsere Stellung fing ich an zu graben. Das heftige feindliche Feuer, dem wir gestern ausgesetzt waren, hatte gezeigt, wie schutzlos wir hier lagen. Die beiden flachen Wälle mit dem seichten Graben dazwischen, der nun schon seit Tagen unser Zuhause war, erschien mir einfach nicht sicher genug. Ich begann, ein breites und tiefes Loch auszuheben und verteilte die Erde rechts und links davon. Es dauerte mehrere Stunden, und weil ich nicht im Stehen arbeiten konnte, schmerzte die gebückte Haltung im Rücken. Aber so hatte ich wenigstens eine Beschäftigung und konnte zusätzlich unsere Lage verbessern. Die anderen belächelten mich. Als ich auch links an Micas Stellung mit dem Graben anfing, wollte jeder am liebsten in so einem Loch stehen, um ein wenig mehr verborgen zu sein. Niemals hätte ich gedacht, dass ich nach meiner Grundausbildung noch mal dazu kommen würde, ein Schützenloch auszuheben. Aber dieser
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