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Vier minus drei

Titel: Vier minus drei
Autoren: Barbara Pachl-Eberhart
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Konntest dir nicht vorstellen, wo ich war.
    Die Gewissheit, dass Heli sich gut um dich kümmern würde, war mein Trost, und ich vertraute darauf, dass die Zeit sicher schnell vergeht für ein kleines Wesen, das vor allem im Hier und Jetzt lebt. Beim Heimkommen aber hatte ich Angst.
    Wird sie mich nach so langer Zeit wiedererkennen, braungebrannt wie ich bin? Wird noch dieselbe Vertrautheit zwischen uns bestehen wie vor meiner Reise?
    »Mamaaa!«
    Du sahst mich schon, bevor ich dich entdeckt hatte. Du strecktest die Ärmchen aus und zerstreutest all meine Zweifel innerhalb einer Sekunde. Typisch Fini. Ich flog auf dich zu, umarmte dich und bestand nur aus Glück. Es gab keine Zeit, keine Angst, keine Entfernung. Es gab nur noch die Liebe.
     
    Zwei Monate später warst du es, die fortflog. Ich habe keinen Begriff davon, wo du bist und wann wir uns wiedersehen. Versuche ebenso tapfer zu sein wie du damals. Halte mich an das Hier und Jetzt und achte darauf, dass sich hilfreiche Menschen um mich kümmern. Wenn wir uns wiedersehen, eines Tages, werde ich dich erkennen. Meine Arme ausstrecken. Und rufen.
    »Fini! Himmel! Wolke! Schön. Fini, Himmel!«

    Deine Stimme klingt in meinem Ohr. Ich höre deine Worte, gesprochen mit leichtem Lispeln. Viele deiner Worte endeten mit -lein. Du hattest eine Vorliebe für diese Endsilbe und verwendetest sie, wo es nur ging. Für mich war das der pure Ausdruck deines zärtlichen, liebevollen Wesens.
    Mamilein. Messalein. Käfalein . Deckalein.
     
    Fini.
    Valentina.
    Gurke. Weiwilein. Lausi.
     
    Die folgende Geschichte erzählte ich schon gern, als du noch mit Schokoladenlebkuchen Bilder an die Wand maltest. In der Zeit, als man dich dein Deckalein durch jede Dreckpfütze schleifen und jeden Tag dreimal in der Badewanne plantschen sah.
    Du hattest einen Engel aus Gips geschenkt bekommen.
    »Engalein is«, soviel war klar.
    Stundenlang wurde das Engalein durch die Wohnung getragen, wiederholt wurde es zu Bett gebracht, gefüttert, ja, der Engel durfte sogar – » Brrrrm« – mit Thimos Auto fahren. Die Gipsfigur nahm bei diesen Abenteuern schon bald beträchtlichen Schaden. Nach einiger Zeit fehlte ein Flügel, dann ein Arm, ein wenig später auch noch der ganze Unterleib. Zuletzt waren da nur noch die Hälfte des Kopfes und ein Teil des rechten Flügels, die notdürftig aneinanderhingen. Doch du bedachtest das Wenige, was übrig war, mit unverminderter Liebe.
    »Engalein is«, daran änderte sich nichts.

    Ungefähr zur gleichen Zeit kam die Fotografin in Thimos Kindergarten zu Besuch, und du, Thimos süße kleine Schwester, wurdest gleich mitfotografiert. Deine Worte, als wir den Abzug erhielten und du zum ersten Mal ein Bild von Fini in Großaufnahme in die Hände bekamst?
    »Engalein is!«
    Kein Wunder.
     
    Ein Engel auf Erden warst du wohl, Fini, Sonnenkind, Glückskäferlein. Ein Engel, der sich fast ausschließlich von Rahmgurkensalat ernährte. Der das Radfahren im Kindersitz liebte, egal, ob bei Regen oder bei Sonnenschein. Ein Engel, der gern zu große Schuhe trug.
    Manchmal, wenn ich mir den Fini-Engel auf seiner Wolke vorstelle, ziehe ich ihm zu große Schuhe an. Das Kind in mir erheitert sich gern an dieser Vorstellung.
     
     
    Donnerstag, 20. März 2008
     
    Ein letztes Bild.
    Wir frühstücken in unserem neuen, kleinen Haus, in dem wir seit einigen Wochen wohnen. Es ist schon recht gemütlich, wiewohl hier und da noch übervolle Umzugskartons stehen. Egal, wir fühlen uns pudelwohl. Heute ist Gründonnerstag. Es sind Ferien, daher muss Thimo nicht in den Kindergarten. Die Sonne schaut freundlich zum Küchenfenster herein und lauscht dem Frühstücksgespräch einer glücklichen Familie.

    »Papu, kann ich noch eine Palatschinke haben?«, fragt Thimo mit vollem, nutellaverschmiertem Mund, während Fini genüsslich im Marmeladenglas löffelt.
    Heli steht am Herd und singt zu der Melodie, die aus dem Kassettenrekorder kommt.
    »Hier kommt die Palatschinke, hulla hupp, hulla hey, hulla hoppsassa …«
    Der Pfannkuchen landet auf Thimos Teller und beginnt, mit Helis Stimme zu sprechen.
    »Ah, guten Tag, ich bin die Palatschinke. Stimmt es, dass ich gleich mit Nutella bestrichen werde? Ich liebe Nutella! Mmmmmh, oh ja, mehr, mehr!«
    Wir lachen, wie immer, wenn Heli seine Späße macht. Fini blödelt mit, dabei landet ein Löffel Marmelade auf der Pyjamahose statt im Mund. Was soll’s?
    »Will mein Weibserl auch noch eine Palatschinke?«, fragt der singende Meisterkoch in
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