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Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Titel: Vier Arten, die Liebe zu vergessen
Autoren: Thommie Bayer
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Künstler von
anderen Menschen: Ihre Nahrung, das Lob und Interesse, ist eine harte Droge –
es gibt keine ungefährliche Dosis. Und so nah sie den fremden Menschen im
Publikum gekommen war, so fern war sie jetzt ihnen beiden.
    Emmi sah ein bisschen traurig aus, als Michael sich verabschiedete,
aber ihr Plan war zumindest teilweise aufgegangen. Zwar hatte sich Erin nicht
geradewegs in Michael verliebt, sie bemerkte ihn kaum noch, aber er war
elektrisiert und innerlich aufgewühlt von ihrem Talent. Er war hingerissen.
    ~
    Â»Was bist du dann jetzt, wenn du kein Musiker mehr bist?«,
fragte sie ihn beim Einsteigen, und er antwortete, während er sich den
Sicherheitsgurt über die Brust zog und festmachte: »Geschäftsmann.«
    Â»Und was für ein Geschäft ist das?«
    Â»Ich handle mit Antiquitäten.«
    Â»Komisch«, sagte sie und startete den Wagen.
    Â»Was ist komisch?«
    Â»I would have bet, du bist ein Künstler.«
    Â»Wieso das denn?«
    Â»Deine Art. A certain kind of awareness, a certain kind of
loneliness, ein Geschäftsmann hätte ich nie geraten.«
    Â»Glaubst du, ich habe eine besondere Antenne oder so was?«
    Â»Genau so. Das glaub ich.«
    Â»Dann hast du das vielleicht selber.«
    Â»Right. Deshalb denk ich ja, du musst ein Künstler sein. Ich bin das
ja auch.«
    Sie hatte keine Probleme mit dem Fahren, das Lenkrad auf der linken
Seite schien ihr kein Kopfzerbrechen zu machen. Auch der Rechtsverkehr nicht.
Soviel er wusste, lebte sie in Irland und London, dort fuhr man links, aber
vielleicht hatte sie auch noch ein Versteck auf dem Festland, in Frankreich
oder Spanien, oder sie war so oft in den USA, wo sie ihre letzten drei Alben
aufgenommen hatte, dass ihr das Fahren auf der richtigen Seite keine
Schwierigkeiten mehr machte.
    Sie hatte recht. Er war ein Künstler. Aber das wusste niemand, und
ausgerechnet sie war die Letzte, die es erfahren durfte.
    ~
    Sie kurvte souverän auf den Marktplatz, hielt an, aber
parkte nicht ein.
    Â»Sagst du Angela von mir goodbye?«
    Â»Kommst du nicht mehr mit?«
    Â»Nein. Das Flugzeug geht um halb fünf. Ich muss morgen in London
sein. Geht nicht anders.«
    Â»Schade«, sagte Michael und öffnete die Tür.
    Â»Take care, Geschäftsmann«, sagte sie lächelnd. Michael beugte sich
noch einmal herunter, um in den Wagen zu sehen: »Willst du wirklich das nächste
Album mit Rick Rubin machen?«
    Sie lachte. »Hey, du kennst dich aus. Soll ich nicht?«
    Â»Lass dich wenigstens nicht zu so einem puristischen
Gitarre-und-Stimme-Minimalismus überreden. Deine Musiker sind sensationell, die
beiden Geigerinnen, der Bandoneonspieler, die ganze Band ist großartig, und du
bist großartig mit ihnen zusammen.«
    Sie schwieg. Und sie schaute nachdenklich auf das Armaturenbrett.
Dann wandte sie sich ihm zu und sagte: »Du sprichst genau aus meinem Kopf. Ich
treffe morgen Rick in London und will ihm sagen, dass er mich nur mit Band im
Studio haben kann.«
    Â»Gut.«
    Â»War schön, dich zu sehen«, sagte sie und startete den Wagen.
Michael schloss die Tür, und sie fuhr los. Nach einigen Metern sah er, dass sie
den Arm aus dem Fenster streckte und winkte. Er winkte zurück.
    ~
    Bernd war verschwunden, die Tochter ebenfalls, und ihre
Abwesenheit veränderte das Klima unter den Gästen, obwohl inzwischen auch die
meisten älteren Herrschaften gegangen waren und sich nur noch ein starkes
Dutzend Leute im Garten aufhielt. Auch Angela war nirgendwo zu sehen.
Vielleicht suchte sie die Winkel im Haus nach ihrer sündigenden Tochter ab.
    Â»Wo hast du Fairy O gelassen?«, fragte Wagner, der noch am selben
Platz mit Siggi und Thomas saß. Der starrte inzwischen stumpfen Blicks auf die
Platte des Biertisches vor sich. Er hatte ein paar Gläserinhalte zu viel in
seinem Gesicht verschwinden lassen und brütete seine chemisch induzierte
Einsamkeit aus.
    Fairy O war der Künstlername, den sich Erin zu Beginn ihrer Karriere
gegeben hatte. Als hätte sie geahnt, dass ihr dieser Kunstgriff einmal einen
Rest Privatleben sichern würde – für eine Erin Conally interessierte sich
niemand, wenn die ein Hotelzimmer buchte oder Haus bezog, für Fairy O würden
sich Reporter und Paparazzi in einigen Teilen der Welt aufs Motorrad schwingen.
    Â»Sie ist schon wieder nach München zum Flughafen zurück. Ich soll
euch
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