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Vielleicht Verliebt

Vielleicht Verliebt

Titel: Vielleicht Verliebt
Autoren: Ruth Loebner
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auf einem bunten Teppich und essen.
    »Das war der Tausend-Schälchen-Abend«, sagt Elisa, und rechts und links schmiegt sich ein Kopf an ihre Schultern. »Eva hatte an dem Tag eine Villa verkauft und so viel Geld verdient wie noch nie in ihrem Leben. Als sie nach Hause kam, hatte sie zwei riesige Tüten dabei, in denen lauter Pappschachteln mit Fressalien waren. Ich bin mit Papa Paul in die Küche gegangen, und da haben wir zusammen die ganzen Schachteln aus den Tüten geholt. Ich weiß noch, dass ich mich gewundert hab, dass manche warm waren und manche kalt. Die Tüten waren von innen ganz feucht. Und es hat voll aufregend geduftet.«
    »Nach was?«, fragt rechts Juni.
    »Das weiß ich nicht mehr.« Elisa ruckelt sich zurecht. »Es war auf jeden Fall alles Zeug, was ich noch nie gegessen hatte. Wir haben die Schachteln aufgefaltet, und Papa Paul hat mir erklärt, wie die Gerichte heißen. Er kannte alle Namen und wusste, woraus das Essen gemacht ist, das fand ich irgendwie erstaunlich.«
    »Ein Brei war aus Kichererbsen!«, ruft Juni und kichert.
    »Genau.« Elisa lacht. »Wir haben dann alles aus den Pappschachteln in Schälchen, Schüsseln und auf Teller umgefüllt. Papa Paul hat gesagt, es soll ganz vornehm sein. Zur Feier des Tages.«
    »Und dann?«
    »Dann kam das Tollste: Dann haben wir die Schälchen auf dem Teppich im Wohnzimmer verteilt, weil der Tisch zu klein war!«
    »So viel war das?«
    »So viel war das.«
    »Boah.«
    »Opa Eins hat sich das Festmahl angeguckt und gesagt: Wenn wir das alles aufkriegen, fress ich zum Nachtisch noch einen Besen!«
    Juni kichert. »Und was hat Oma Eins gesagt?«
    »Oma Eins hat gesagt: Wenn wir das alles aufessen, dann kriegen wir nicht nur morgen Sonnenschein, sondern den ganzen Sommer lang.«
    Mai stößt Elisa an. »Jetzt, was Eva gesagt hat!«
    Elisa streichelt über das Bild. Sie kann die Geschichte so oft erzählen, wie sie will, an dieser Stelle bekommt sie immer einen Kloß im Hals. »Eva hat Papa Paul ganz komisch angeguckt. So kannte ich ihr Gesicht gar nicht. Irgendwie weich und gleichzeitig traurig. Und dann hat sie gesagt: Wenn wir das alles schaffen, schaffen wir alles.«
    Einen Moment lang herrscht Schweigen. Elisa hört nur den leisen Atem von Mai und Juni, der ein bisschen schneller geht als ihr eigener.
    »Und was hat sie damit gemeint?«, fragt Mai schließlich.
    Elisa fährt mit dem Finger zwischen den gemalten Schälchen entlang, als wäre ihre Fingerspitze ein Käfer und das Festmahl der Parcours. »Ich glaube, Eva hat sich ein Orakel gemacht. Dass mit Papa Paul alles wieder gut wird, wenn wir das Essen ratzeputz aufessen.«
    »Und Papa Paul?«, haucht Juni.
    »Papa Paul«, sagt Elisa und muss schlucken, damit der Kloß im Hals ihre Stimme wieder durchlässt, »Papa Paul hat Eva auch ganz komisch angeguckt und den Kopf geschüttelt und gesagt: Wenn wir das alles schaffen, kriegen wir einfach nur Bauchschmerzen.«
    »Weil er nicht an das Orakel geglaubt hat«, sagt Mai finster.
    Elisa nickt. »Nicht an das Orakel und nicht an den kosmischen Plan.«
    »Und habt ihr alles aufgegessen?«, wispert Juni.
    »Ja!« Elisa klappt das Buch zu. »Bis auf den letzten Krümel.«
    »Und habt ihr Bauchweh bekommen?«
    »Nein.«
    »Und hat Opa Eins einen Besen zum Nachtisch gegessen?«
    »Nein.«
    »Und war den ganzen Sommer Sonnenschein?«
    »Nein.«
    »Aber!«, ruft Juni, kniet sich hin und sieht Elisa mit erwartungsvollen Kulleraugen an.
    »Aber«, Elisa gibt ihrer Stimme einen möglichst geheimnisvollen Klang, »ich hatte mir auch ein Orakel gemacht.«
    »Welches?«
    »Ich hab gesagt – aber nur zu mir selber und nicht laut: Wenn wir das ganze Essen aufessen, dann krieg ich eine Schwester.«
    »Wolltest du denn überhaupt eine haben?« Mai sieht Elisa unter zusammengezogenen Augenbrauen an.
    Elisa nickt energisch. »Ja, unbedingt und schon ganz lange.«
    Junis Wangen laufen vor Aufregung rot an. »Und hast du dann eine Schwester gekriegt?«
    Elisa lacht und nimmt rechts Juni und links Mai in den Arm. »Sogar zwei!«
    »Und das war der Beweis«, nuschelt Mai.
    »Ja«, Elisa lässt die beiden wieder frei, »das war der ultimative Doppel-Beweis, dass es den kosmischen Plan wirklich gibt.«
    »Noch eine Papa-Paul-Geschichte!« Mai schnappt sich schon das Erinnerungsbuch.
    »Nein, jetzt ’ne Papa-Tristan-Geschichte!«, ruft Juni.
    »Geht beides nicht.« Elisa steht auf. »Ich schnipple jetzt Obst für B-O. Ich muss ihm doch was mitbringen, wenn ich ihn besuche.
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