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Vielleicht Verliebt

Vielleicht Verliebt

Titel: Vielleicht Verliebt
Autoren: Ruth Loebner
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Mund atmet, riecht sie den Schnaps kaum. Dann kann sie ihre Wange beim Kurbeln an Papa Pauls Wange legen. Das ist kratzig, aber warm.
    »Das Schönste für die Schönste. Für Elise für Elisa.«
    Dü-del-dü-del-dü-del-dü-del-düüü.
    Die kleine Holzperle in ihren Fingern bleibt starr, obwohl die Kurbel sich dreht. Elisa erinnert sich genau an das Gefühl. Und daran, wie sie sich immer darüber gewundert hat. Jetzt erkennt sie, wie es funktioniert: Die Kugel ist nicht an der Kurbel festgeklebt, sondern kann sich frei drehen. Wie die Erde um die Sonne. Es ist ganz einfach!
    Düdeldüdeldüdeldüdeldüü.
    Papa Paul war Alkoholiker. Er liebte seine Familie, aber er hat leider sehr viel Mist gebaut. Vielleicht hat er sich Mühe gegeben, mit dem Trinken aufzuhören, aber er hat es nicht geschafft. Vielleicht hatte er Angst vor der großen weiten Welt. Vielleicht hat er deswegen seine Tochter so genannt wie sein Lieblingslied, damit die Welt ganz klein wird, so klein wie eine Spieluhr.
    Am Ende hat er einen schlimmen Fehler gemacht und ist betrunken Auto gefahren. Da war die Welt für ihn vorbei. Seine beiden anderen Töchter konnte er nicht mehr kennenlernen.
    Elisa hört auf, die Kurbel zu drehen.
    Die Stille, die sie jetzt einhüllt, ist so ähnlich wie die Stille, wenn man aus einem Traum aufwacht und sich in seinem Bett wiederfindet. Man hat noch nicht so richtig kapiert, dass man aufgewacht ist.
    Elisa hebt den Kopf. Ihr Blick landet auf Mai und Juni. Langsam legt sich das Bild von den beiden, wie sie mit großen Augen auf dem Sofa sitzen und ihre Beine miteinander verzwirbelt haben, über Elisas Erinnerungsbilder.
    »Papa Paul tut mir leid«, sagt sie. »Und wir tun mir auch leid.« Und als sie ihre eigene Stimme hört, wird ihr endgültig klar, dass sie wieder im echten Leben angekommen ist. Sie lächelt Mai und Juni an. »Zum Glück haben wir’s ansonsten ja krass schön.«
    Ein gigantisches Krachen und Klirren lässt sie alle zusammenzucken. Max blinzelt entgeistert den Scherbenhaufen zu seinen Füßen an. »Entschuldigung«, wispert er. »Das wollte ich nicht. Ich räum das wieder auf.« Aber er steht da wie festgefroren. Nur seine Augenlider klimpern und klimpern.
    »Ist schon gut, Max.« Eva geht zu ihm. Sie legt ihm eine Hand auf die Schulter und wartet. Dann die andere Hand auf die andere Schulter. Max bewegt sich nicht. Ganz vorsichtig zieht Eva ihn zu sich heran. Er lässt alles mit sich geschehen, wie eine Schaufensterpuppe. Eine Weile stehen sie einfach so da, aber dann schlingt plötzlich die Puppe ihre Arme um Evas Rücken.
    Max macht keinen Mucks, nur an seinem Zittern kann Elisa erkennen, dass er weint.

    Sie muss ihren inneren Kaffeetisch nicht decken, denn die Gedanken setzen sich gar nicht erst hin, um aufzuzählen, was Joram alles über Max erzählt hat und was Elisa gefühlt und gerochen hat, als sie vorhin bei ihm durchs Fenster gefallen ist. Der einzige Gast, der kommt, bleibt stehen und macht sich auch nicht die Mühe, im ganzen Satz zu sprechen. Er ruft einfach nur:
    Max’ Mutter!!!
    »Ach du Kacke!«, flüstert Elisa.
***
    Tristan schiebt Elisas Decke ein Stück zur Seite und setzt sich auf die Gartensofabettkante. »Hey, du!«, sagt er leise.
    »Selber!« Elisa lächelt ihn an. Seine rechte Gesichtshälfte wird sanft vom Windlicht beschienen, das Elisa auf den Tisch gestellt hat, damit B-O sehen kann, wo er ist.
    »Meinst du, du kannst schlafen?«, fragt Tristan.
    Elisa nickt. »Ich glaub schon.« Sie ist so müde wie selten zuvor in ihrem Leben, wollte aber unbedingt noch wach bleiben, bis Tristan zurück ist. »Meinst du, Max kann schlafen?«, fragt sie.
    Tristan holt tief Luft. »Ich hoffe es.«
    »Du hast lang gebraucht, oder?«
    »Ja. Es ist schon fast elf.« Tristan reibt sich über die Wangen, dass seine Bartstoppeln knistern. »Als wir vor der Tür standen, kam gerade Max’ Vater vom Schichtdienst nach Hause.«
    »Und?«, fragt Elisa. »Hat er mit dir geredet?«
    Tristan nickt. »Ja, klar. Ich hab mit ihm geredet. Immerhin hatte ich seinen Sohn im Schlepptau, den du entführt hast.« Sein Grinsen gerät etwas schief, und er wird sofort wieder ernst. »Ich war feige, Elisa. Ich hab erst mal so getan, als würde es um B-O gehen. Allergienotfall und so.«
    »Tut es doch auch!«
    »Ja.« Tristan macht eine Pause. »Auch.«
    »Und?« Elisa setzt sich auf. »Hat er dich reingelassen?«
    Tristan verdreht vielsagend die Augen. »Nicht wirklich. Er hat versucht, mich abzuwimmeln,
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