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Vielen Dank für ihre e-mail

Vielen Dank für ihre e-mail

Titel: Vielen Dank für ihre e-mail
Autoren: Christoph Moss
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Ausdrücke wie tsss, hmm oder mh-mh sollen die elektronische Sprache um eine Geräuschdimension bereichern.
    Das intellektuelle Niveau ist vergleichbar den Aktionswörtern aus der Mickey-Maus-Sprache: Lach, grins, kicher, schmoll, knuddel, dahinschmelz oder däumchendreh , die so wunderbar harmlos sind, dass sie garantiert niemandem wehtun.
    Im Gegenteil: Die typische Plauder- oder Chatsprache kann ganz nebenbei noch therapeutische Effekte haben. Das oft anonyme Schreiben nehme Schwellenängste, sagt etwa die Linguistik-Professorin Angelika Storrer. Deshalb könne diese Form von Chat sogar eine Nische für die psychosoziale Beratung sein.
    Besser als SCHREI! MICH! NICHT! AN! lesen sich lach, grins, kicher, schmoll, knuddel, dahinschmelz oder däumchendreh in jedem Fall.
    Oder?????
    Tsss, hmm, mh-mh!
     
FALLS SIE DIESE E-MAIL NICHT ERHALTEN HABEN, MELDEN SIE SICH BITTE
    Vor einigen Jahren schrieb der Literaturwissenschaftler Manfred Geier ein interessantes Buch. Unter dem Titel „Worüber kluge Menschen lachen“ verfasste er „eine kleine Philosophie des Humors“ – beginnend bei Platon in Athen über Immanuel Kant in Königsberg, Sigmund Freud in Wien bis zu Karl Valentin in München. Aus heutiger Sicht hätte das Buch noch ein weiteres Kapitel verdient: Den anonymen E-Mail-Schreiber aus dem Kundenservicecenter.
    Die Vertreter des intelligenten Humors hätten ihre wahre Freude an dem, was täglich in millionenfacher Auflage durch den elektronischen Orbit funkt. Man stelle sich nur vor, der betroffene Kunde Karl Valentin hätte folgende Aufforderung per E-Mail erhalten:
    „Melden Sie sich bitte sofort (…) falls Sie diese Mail nicht erhalten haben.“
    Auch dieser sachdienliche Hinweis hätte wohl heftige Reaktionen bei Valentin ausgelöst:
    „Falls Sie diese Mail nicht erhalten haben, überprüfen Sie bitte eventuell vorgeschaltete Spamfilter Ihres E-Mail-Postfachs.“
    Und wie hätte er wohl auf diese Aussage reagiert:
    „Falls Sie diese Mail nicht erhalten haben, können Sie sich auch direkt im neuen Forum anmelden.“
    Diese Nachrichten sind unfreiwillig komisch, weil sie keinen Sinn ergeben. Die Aussage „Falls Sie diese Nachricht nicht erhalten haben“ lässt ein ökonomisches Informationsparadoxon entstehen: Der Mensch kann den Wert von Informationen nicht beurteilen, wenn er sie nicht kennt. Die Aufforderung, auf eine E-Mail zu reagieren, die der Empfänger gar nicht bekommen hat, kann also nur paradox sein. Und dies ist eine der häufigsten Ursachen für Komik.
    Denn E-Mails sind immer geeignet, klassischen Humorschemata zu folgen. Zum Beispiel diese Mitteilung unter Kollegen:
    „Unsere Abteilung war eben in der Kantine essen. Das Gemüse sah ziemlich schrumpelig aus. Unser Chef auch.“
    Dieser Botschaft fehlt der Sinnzusammenhang. Der Leser bezieht den letzen Satz und damit die Aussage zum Chef automatisch auf den direkt vorhergehenden Satz, in dem das Gemüse eine zentrale Rolle spielt – und nicht der Vorgesetzte, der mit seiner Abteilung in der Kantine gegessen hat.
    Im Außenkontakt kann ungewollte Komik oft ärgerliche Folgen haben. Meist will ein Kunde ja ein Problem lösen.
    Ihm wird also nicht unbedingt der Kopf nach lustiger Konversation stehen. Schon gar nicht, wenn es um technische Themen geht. Zum Beispiel bei dieser Aufforderung an einen Computernutzer:
    „Drücken sie ,ESC‘, wenn Sie das Programm verlassen möchten, ohne Ihre Daten zu speichern.“
    Es gibt sicherlich eine Reihe von Menschen, die eine solche Nachricht nicht bis zum Ende lesen. Diese Kunden werden dann möglicherweise eine fatale Entscheidung treffen:
    „Drücken sie ,ESC‘, wenn Sie das Programm verlassen möchten …“
    Den Zusatz „ohne Ihre Daten zu speichern“ werden viele Leser gar nicht mehr registrieren. Der Hinweis ist aber von fundamentaler Bedeutung und steht daher an der falschen Stelle, wie der Kommunikationswissenschaftler Günther Zimmermann treffend feststellt. Besser und damit erheblich nervenschonender wäre diese Variante:
    „Wenn Sie das Programm verlassen möchten, ohne Ihre Daten zu speichern, drücken Sie ,ESC‘.“
    Man könnte noch „dann und nur dann“ einfügen:
    „Wenn Sie das Programm verlassen möchten, ohne Ihre Daten zu speichern (dann und nur dann), drücken Sie ,ESC‘.“
    Dann und nur dann wäre dieser technische Hinweis nicht nur für Wissenschaftler und Humoristen nachvollziehbar – sondern auch für Kunden.
     
SIE REGEN MICH NICHT AUF. SIE NICHT!
    E-Mails sind
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