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Verzeihen ist immer moeglich

Verzeihen ist immer moeglich

Titel: Verzeihen ist immer moeglich
Autoren: Bernard Jakoby
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Vergebung, aber auch Selbstvergebung für eigene Unterlassungen oder Charakterschwächen.
    Jede Aussöhnung und Bereinigung von Schuld beginnt mit dem Blick in den eigenen Spiegel. Alle Konflikte unseres Lebens und alle Beziehungsschwierigkeiten bedingen sich gegenseitig. Langjährige Auseinandersetzungen oder Streitereien mit einer Person oder der Familie geschehen weder zufällig noch durch die Schuld eines anderen. Jeder Beteiligte trägt dazu bei. Deswegen ist es überaus wichtig, den eigenen Anteil an den Problemen unseres Lebens zu erkennen.
    Es geht weniger um Schuld oder Versagen, die allzu schnell auf einen anderen projiziert werden, sondern um die Erkenntnis, selbst zu einem Konflikt beigetragen zu haben. Sie ist immer der erste Schritt zur Aussöhnung. Sobald Achtung oder Respekt vor dem anderen schwinden, ist das immer ein Warnhinweis, dass im Gefälle einer Beziehung oder Freundschaft etwas grundlegend nicht stimmig ist.
    Wir werden dann herausfinden, dass Erwartungshaltungen aufeinanderprallen, die nicht länger mit eigenen Vorstellungen im Einklang sind. Wir sind dann nicht in der Annahme des anderen, wie er ist. Dadurch fällt so manches böse Wort, was wir später bedauern, gesagt zu haben, und das sich nur durch die Bitte um Vergebung auflösen lässt. In einem solchen Fall können wir uns folgende Fragen stellen:
    • Warum habe ich meine Achtung und den Respekt dem anderen gegenüber verloren?
    • Welche Erwartungen habe ich an den anderen und welche hat er? Wer sich damit auseinandersetzt, wird die Erfahrung machen, dass durch die Bereinigung und Erkenntnis der eigenen Erwartungen so manches Problem gelöst werden kann.
    • Wie habe ich mich selbst einem anderen gegenüber verhalten?
    • Was habe ich zu den Konflikten beigetragen, dass sie sich ständig wiederholten?
    • Warum hat der andere eine so große Macht über mich, dass er mich immer wieder verletzen konnte?
    Aus den Sterbeprozessen wissen wir, dass die ungelösten Dinge unseres Lebens an die Oberfläche des Bewusstseins treten. So mancher Sterbende sehnt sich noch in den letzten Lebenstagen nach Aussöhnung, da er nun erkennt, einen anderen zu Unrecht verletzt zu haben.
    Im Angesicht des bevorstehenden Todes ist der Wunsch nach Aussöhnung ein besonders dramatisches Geschehen, da es davon abhängig ist, ob auch der andere vergeben kann. Der Sterbeprozess vermag jedoch so manche Verhärtungen aufzuweichen.
    Vergebung seitens der Verstorbenen
    So mancher Hinterbliebene fühlt sich einem Verstorbenen gegenüber schuldig und hat es dadurch in seiner Trauerbewältigung besonders schwer. Das Gefühl, ihm etwas angetan oder unterlassen zu haben, belastet enorm. Nach dem Tod fehlt das Gegenüber, um die noch offenen Punkte bereinigen zu können. Doch bleiben wir durch unsere Liebe mit den Verstorbenen verbunden. Es ist uns möglich, uns in Gedanken mit einem Verstorbenen in Verbindung zu setzen und all die Dinge, die uns belasten, zum Ausdruck zu bringen.
    In den von Allan Botkin eingeleiteten Nachtodkontakten hat sich eindeutig gezeigt, dass Verstorbene alle Verfehlungen und Unterlassungen vergeben, selbst wenn Hinterbliebene der festen Überzeugung waren, dass Derartiges nicht möglich sei, da die Schuld viel zu schwer wiege.
    Viele Menschen entwickeln Schuldgefühle, wenn sie im Augenblick des Todes eines geliebten Angehörigen nicht anwesend waren.
    Linda war untröstlich, dass sie sich nicht von ihrer sterbenden Großmutter verabschieden konnte. Sie hatte das Gefühl, nicht da gewesen zu sein, als ihre Großmutter sie am dringendsten gebraucht hat. Linda glaubte, dass ihre Großmutter einsam und unter Schmerzen gestorben sei. In der IADC-Therapie gelang es ihr, durch eine Wiederbegegnung ihre quälenden Schuldgefühle aufzulösen.
    »Ich sehe Großmutter, aber sie ist jung und gesund. Sie ist vollkommen zufrieden und glücklich. Sie sagt mir, sie sei im Schlaf friedlich gestorben und ich bräuchte mich wegen nichts schuldig zu fühlen. Ich habe auch ihre wirkliche Präsenz gespürt, es war mehr als nur Worte. Großmutter sagte: ›Ich liebe dich, Linda.‹ Ich konnte ihre Liebe zu mir spüren. Sie sagte, sie sei stolz auf mich und glücklich über die Veränderung, die ich kürzlich in meinem Leben vollzogen habe. Doktor Botkin, sie erwähnte Dinge, die mir seit ihrem Tod widerfahren sind. Sie war wirklich bei mir.« 59
    Durch die Begegnung mit ihrer Großmutter waren alle Gefühle von Schuld und Trauer bei Linda verschwunden. War sie
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