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Verzehrende Leidenschaft

Verzehrende Leidenschaft

Titel: Verzehrende Leidenschaft
Autoren: Hannah Howell
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abgehackten Flüche vernahm. Bald würde sie das Schlimmste hinter sich haben. Er rieb ihr den Rücken, während sie sich weiter erbrach. Ihr Elend war kaum mit anzusehen, aber er wusste, es war nicht zu vermeiden. Sobald sie etwas ruhiger atmete, zog er sie zu einer sauberen Stelle, an der sie gleich wieder zusammenbrach.
    »Hier, spült Euch den Mund«, drängte er.
    Moria schlug die Augen auf. Er hielt ihr einen groben Holzbecher unter die Nase. Sie stützte sich auf einen Ellbogen, kostete vorsichtig und stellte fest, dass der Becher Wein enthielt. Zuerst spülte sie den Mund damit aus, dann nahm sie vorsichtig einen kleinen Schluck von dem leicht bitteren Trank und sah sich um. Langsam fiel ihr wieder ein, was passiert war, und sie begriff, warum sie hier auf einem Strand kauerte, der von der aufgehenden Sonne in ein sanftes rosafarbenes Licht getaucht war. Schließlich wandte sie sich stirnrunzelnd Tavig zu.
    »Woher habt Ihr den Wein und den Becher? Die Sachen sind doch nicht zusammen mit uns an Land gespült worden, oder?«
    »Nay. In der Nähe gibt es eine Fischerkate.«
    »Also auch jemanden, der uns vielleicht helfen könnte?«
    »Das glaube ich nicht. Die Kate sieht aus, als ob sie schon länger nicht mehr bewohnt ist. Da dort drinnen noch etliche Vorräte herumliegen, jedoch weit und breit nichts von einem Boot zu sehen ist, kann ich mir nur vorstellen, dass der arme Besitzer auf einem Fischzug ertrunken ist.«
    Moira bekreuzigte sich, dann gab sie Tavig den Becher zurück und streckte sich ermattet auf dem Strand aus. Tavigs Kleidung war schmutzig und zerlumpt, sie fragte sich, warum er sich nicht der letzten Reste seines einst recht kostbaren Leinenhemds entledigt hatte. Das, was noch davon übrig war, trug kaum dazu bei, seine breite, glatte, dunkle Brust zu verhüllen.
    Bei dem traurigen Zustand seiner Kleidung fragte sie sich natürlich auch, wie ihre eigene aussah. Eine kühle Morgenbrise strich über den Strand und auch über ihren Körper – über so viel bloße Haut, dass von ihrem Nachthemd und ihrem Umhang wohl nicht mehr viel übrig war. Moira wusste, dass sie zumindest hätte nachsehen sollen, ob sie noch sittsam bedeckt war, aber sie war zu schwach, um sich zu rühren. Ihr Körper fühlte sich von oben bis unten völlig zerschlagen und kraftlos an.
    »Was ist mit Eurem Bart passiert?«, fragte sie. Seine glatten Gesichtszüge waren viel zu attraktiv für ihr seelisches Gleichgewicht.
    »Ich habe ihn abrasiert. Ich konnte das Ding nicht mehr ertragen«, erwiderte er und streckte sich neben ihr aus.
    »Und Eure Gemahlin, die an einem Fieber gestorben ist?«
    »Eine Lüge, fürchte ich. Geht es Euch besser?«
    »Noch nicht wesentlich. Ich glaube, ich bleibe einfach hier liegen und warte, bis ich sterbe. Mir ist eiskalt, ich fühle mich schon fast wie eine Leiche. Am besten schaufelt Ihr mir ein Grab und sucht mir ein Leichentuch.«
    »Ich fürchte, das, was Ihr und ich am Leibe tragen, reicht nicht einmal zusammengenommen für ein Leichentuch.«
    »Also bin auch ich nur in Lumpen gehüllt und wahrscheinlich nicht einmal sittsam bedeckt.«
    »So schlimm ist es auch wieder nicht. Zumindest sind die Teile von Euch bedeckt, die ich sehr gern ein bisschen eingehender betrachten würde.«
    Moira fragte sich, warum sie nicht errötete, ja, nicht einmal empört war. Wahrscheinlich war sie noch zu erschöpft, um sich über seine Frechheit aufzuregen. »Ihr seid ganz schön unverschämt für einen Mann, der zum Tod durch den Strang verurteilt worden ist.«
    »Verurteilt bin ich zwar, aber noch bin ich frei.«
    »Kein Verurteilter kann wirklich frei sein. Ihr seid nur knapp mit dem Leben davongekommen, und ich genauso. Dafür danke ich Euch. Ich weiß noch, dass Ihr nach mir in die kalten Fluten gesprungen seid. So etwas zu tun ist reichlich sonderbar. Aber ich bin natürlich dankbar für den Moment des Wahnsinns, der Euch befallen haben muss.«
    »Ihr habt versucht, Euren Vormund davon abzuhalten, mich zu zerstückeln. Diese Ablenkung hat mir womöglich das Leben gerettet, also musste ich mich wohl revanchieren. Und außerdem – hätte ich tatenlos dastehen und zusehen sollen, wie das Mädchen wegschwimmt, das zu heiraten mir bestimmt ist?«
    Tavig wartete geduldig, bis die Bedeutung dieser Worte ihr bewusst wurde. Ihr Gesicht war sehr einfach zu lesen: Zuerst zeichnete sich Verwirrung ab, dann ein allmähliches Begreifen, bei dem ihre herrlichen blauen Augen sehr groß wurden. Er bezweifelte, dass
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