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Verzehrende Leidenschaft

Verzehrende Leidenschaft

Titel: Verzehrende Leidenschaft
Autoren: Hannah Howell
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Annie zerrte sie zu den kleinen Kajüten. »Du willst doch nicht etwa, dass der alte Bearnard dich im Gespräch mit einem Mann erwischt, oder?«
    Der bloße Gedanke an ihren Vormund schickte Moira einen kalten Schauer über den Rücken. Sie hörte augenblicklich auf, sich gegen Annies festen Griff zu wehren. »Nay, das würde mir wahrhaftig nicht gefallen.«
    Tavig MacAlpin sah seufzend zu, wie die krumme Annie Moira mit finsterer Miene abführte. Dann vergewisserte er sich, dass niemand ihn beobachtete, und rückte sorgsam die dicke Schicht um seine Taille zurecht. Seit er Moira Robertson zu Gesicht bekommen hatte, war ihm seine Verkleidung als ergrauender George Fraser wie ein wahrer Fluch erschienen, obwohl er wusste, dass sie momentan lebensnotwendig war. Die auf seinen Kopf ausgesetzte Summe war hoch genug, um selbst die standhaftesten Männer in Versuchung zu führen. Und die Männer auf dem kleinen Schiff waren nicht besonders standhaft.
    Drei lange Tage hatte es gedauert, bis sich endlich eine Gelegenheit ergeben hatte, mit Moira ins Gespräch zu kommen. Allerdings fragte er sich, warum er überhaupt so erpicht darauf gewesen war. Er hatte sie eifrig beobachtet, wenn sie mit der gebeugten, grauhaarigen Pflegerin auf dem Deck herumschlenderte. Moiras leuchtend rotes Haar war immer zu festen Zöpfen geflochten, aber gelegentlich brachen ein paar widerspenstige Locken aus, um sich um ihr kleines, ovales Gesicht zu legen. Als er das Glück gehabt hatte, sie näher zu betrachten, staunte er, dass ihre weiche weiße Haut kaum Sommersprossen aufwies. Und er erinnerte sich noch sehr gut, wie verwundert er gewesen war, als er ihr zum ersten Mal in die Augen geblickt hatte. Er hatte mit braunen oder grünen Augen gerechnet, nicht jedoch mit den strahlenden blauen Augen, die dieses Mädchen besaß. Und wie groß diese Augen waren, dachte er nun und verzog den Mund zu einem schwachen Lächeln. Leise lachend gestand er sich ein, dass er keine Mühen gescheut hatte, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, nur damit er die großen blauen Augen mit ihren langen, dichten, dunklen Wimpern sehen konnte.
    Er musste kichern, als ihm einfiel, dass er sich möglicherweise so gut an ihr Gesicht erinnerte, weil es von ihr sonst nicht viel zu sehen gab. Sie war ziemlich klein und ziemlich dürr. Es waren zwar weibliche Formen zu erahnen, aber auch die fielen eher klein aus. Moira Robertson gehörte mit Sicherheit nicht zu der Sorte Frauen, die Tavig normalerweise bevorzugte, doch er musste zugeben, dass sie dennoch seine volle Aufmerksamkeit erobert hatte.
    Er fluchte, als er sich an die Angst erinnerte, die in ihren wundervollen Augen bei seiner Berührung aufgeflackert war. Diese Angst tauchte noch einmal überdeutlich auf, als die krumme Annie Moiras Vormund erwähnte. Selbst die Farbe auf Moiras hohen Wangenknochen war verblasst. Ihr Vormund, Sir Bearnard Robertson, war ein richtiger Tyrann, das hatte Tavig gleich bemerkt. Er hatte zwar nicht gesehen, dass der Kerl Moira schlug, traute es ihm jedoch durchaus zu. Er konnte nur hoffen, dass Bearnard das Mädchen in Ruhe ließ, zumindest so lange, bis er der Burg seines Cousins Mungan nahe genug und in Sicherheit war. Denn er wusste, wenn Bearnard Robertson die Hand gegen das Mädchen erhob, würde er dazwischentreten. Aber ein Kampf mit einem Mann in Robertsons Größe könnte seine Verkleidung ruinieren. Wenn man ihn erkannte, würde man ihn seinem hinterhältigen Cousin Iver ausliefern. Und dort erwartete ihn der Strick für eine Untat, die er nicht begangen hatte.
    Plötzlich kam eine kühle Brise auf, und Tavig fröstelte. Fluchend zog er seinen schweren, schwarzen Umhang fester um sich und blickte finster in den Himmel. In die üblichen Abendwolken, Vorboten der nahenden Nacht, hatten sich ein paar unheilverkündende schwarze Wolken gemischt. Eine weitere eiskalte Böe wehte über das Deck, diesmal weit kraftvoller als die erste. Das verhieß nichts Gutes: Ein später Sommersturm zog auf. Tavig musste wohl oder übel bald in die winzige Kajüte zurück, die er mit drei weiteren Männern teilte. Das war ihm gar nicht recht, denn solche Nähe vergrößerte nur die Chance, enttarnt zu werden. Doch der Regen, den dieser Sturm mit sich bringen würde, war für seine Verkleidung weitaus gefährlicher. Deshalb nahm er sich vor, beim ersten Tropfen Schutz zu suchen.
    * * *
    Etwas Schweres lag auf Moiras Brust und holte sie langsam aus ihren Träumen. Als sie die Augen aufschlug, musste
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