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Verzehrende Leidenschaft

Verzehrende Leidenschaft

Titel: Verzehrende Leidenschaft
Autoren: Hannah Howell
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sie einen Schrei unterdrücken. Beim düsteren Licht einer Laterne, die man unvorsichtigerweise nicht gelöscht hatte und die nun wild an ihrem Haken tanzte, sah Moira, dass es sich nicht um die krumme Annie handelte, die sich auf sie gelegt hatte, sondern um Connor, den Bewaffneten ihres Vormunds. Einen Moment lang lag sie reglos da und wagte kaum zu atmen, bis sie merkte, dass von Connor keine Gefahr ausging; denn dazu war er viel zu betrunken. Ihre Angst schlug rasch in Zorn um.
    Leise fluchend wand sie sich unter dem schnarchenden Mann heraus. Einen Moment lang dachte sie daran, sich auf dem Boden der Kajüte zum Schlafen zu legen, doch ihr wurde rasch klar, dass zwischen all den Betrunkenen, die dort lagen, kaum Platz für sie war. Deshalb drückte sie sich murrend an die Wand in der Hoffnung, sich von Connor fernzuhalten, der nach Alkohol und Schweiß stank. Zum hundertsten Mal fragte sie sich, warum sie sich nicht die Zeit genommen hatten, die Reise auf einem Pferdekarren zu bewältigen. Die Lösegeldforderung für ihre Cousine Una war schon vor Wochen eingetroffen. Ihr Vormund hätte genauso gut einen längeren, dafür aber bequemeren Weg wählen können, um seine Tochter zu retten. Selbst die schlechtesten Straßen hätten ihnen nicht so viel abverlangt wie diese Seereise. Und außerdem hätte sie dann nicht so beengt mit ihren Verwandten und deren Bediensteten in der viel zu kleinen Kajüte nächtigen müssen.
    Das Schiff rollte, drehte sich um seine Längsachse. Moira runzelte die Stirn und spitzte die Ohren, während sie sich an den Rand des Strohsacks klammerte, um nicht gegen den laut schnarchenden Connor geworfen zu werden. Das kleine Schiff schlingerte in einer von Sturmböen gepeitschten See. Moiras Augen wurden groß, als sie hörte, wie Wind und Regen auf das Schiff einstürmten. Ja, sie waren wohl in ein Unwetter geraten, ein ziemlich schlimmes noch dazu, soweit sie das beurteilen konnte. Der Regen prasselte so heftig aufs Deck, dass es sich wie Trommelschläge anhörte, und der Wind heulte um das Schiff herum.
    Annie! Moiras Herz machte vor Angst einen Sprung, als ihr ihre Begleiterin einfiel. Die Alte war nicht in der Kajüte. Vermutlich war sie hinausgeschlichen, um den Matrosen zu treffen, mit dem sie vorher geschäkert hatte, und saß nun in dem Sturm fest. Sie musste hinaus und sich vergewissern, dass Annie in Sicherheit war.
    Mit angehaltenem Atem kroch Moira vorsichtig zum Fußende des Bettes. Sie holte ihren Umhang, den sie an einen Bettpfosten gehängt hatte, und warf ihn sich um die Schultern. Dann krabbelte sie auf allen vieren zur Tür. So, wie das Schiff rollte, wäre es unmöglich gewesen, aufrecht gehend einen Weg durch die Leute zu finden, die auf dem ganzen Boden verstreut lagen. Obwohl alle dank des reichhaltigen Alkoholgenusses tief zu schlafen schienen, bewegte sich Moira sehr behutsam, um niemanden aufzuwecken. Sie wollte lieber nicht gesehen werden. Wenn jemand sie ertappte, würde sie sich bestimmt vor ihrem Vormund rechtfertigen müssen.
    Vor der Kajüte lehnte sie sich erst einmal an die Wand des engen Ganges und holte tief Luft. Was sollte sie nun tun? Vielleicht befand sich Annie ja in irgendeiner anderen Kajüte, im Trockenen und in Sicherheit? Doch diesen Gedanken verwarf sie kopfschüttelnd. Der Mann, mit dem Annie herumgeschäkert hatte, war nur ein einfacher Deckhelfer gewesen, ein armer Kerl ohne irgendeinen Rang. Er hatte bestimmt keinen eigenen Raum, zu dem er Annie hätte bringen können. Wenn überhaupt, befanden sich die beiden noch auf Deck. Es blieb ihr wohl nichts anderes übrig, als nachzusehen und sich zu vergewissern, dass die Alte wohlauf war.
    Ihr erster Versuch wäre beinahe der letzte gewesen. Sobald sie die erste Stufe erklommen hatte, schlingerte das Schiff so heftig, dass sie stürzte und gegen die harte Wand prallte. Dort blieb sie erst einmal keuchend sitzen, bevor sie es erneut versuchte, auch wenn ihr ganzer Körper von dem Sturz schmerzte.
    Als sie endlich auf dem Deck angelangt war, hätten der heulende Sturm und der prasselnde Regen sie beinahe gleich wieder vertrieben. Doch sie biss die Zähne zusammen und hangelte sich an allen Gegenständen in ihrer Reichweite vorwärts, um nach Annie zu suchen. Einerseits konnte sie sich kaum vorstellen, dass die Alte noch hier draußen war, doch sie lag auch nicht in ihrem Bett, wo sie hingehört hätte. Noch herrschte ein Zwielicht, das der Sturm nicht völlig verfinstert hatte, aber es würde
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